Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].son des ungarischen Baron von Rosty, früheren Obersten eines Husarenregimentes. Er hatte alle Feldzüge gegen die Franzosen, die Erbfeinde des Kaiserhauses Habsburg durchgemacht, und glühte von Begeisterung, wenn er auf jene Zeiten zu sprechen kam. Mit edler männlicher Schönheit und hoher Gestalt verband er die natürliche Grazie der Bewegungen, die den meisten ungarischen Aristokraten eigen ist. Bei seinem martialischen Aeußeren besaß er eine unbeschreibliche, wahrhaft kindliche Gutmüthigkeit. Eine erhebende religiöse Feier ward uns bereitet durch die in der Dorfkirche vollzogene Einsegnung des jungen bildschönen Fräuleins Marie, der Begleiterin der Herzogin von Sagan. Bei den Abendmusiken sang sie einen volltönenden Alt, der auch als Sprechstimme alle Fibern eines musikalischen Herzens in freudige Schwingung setzte. Als sie am Altar ihr einfaches Glaubensbekenntniß mit melodischem Ausdrucke hersagte, da war es vielen schwer, ihre Rührung zu verbergen; dem weichmüthigen Obersten von Rosty rollten die hellen Thränen über die Wangen. Zu meiner Erbauung trug das Lokal nicht wenig bei: denn von jeher empfand ich mehr Andacht in der traulichen Enge einer reinlichen Dorfkirche, als in den großen angeräucherten städtischen Gotteshäusern; in den Riesendomen von Mailand, Florenz und Rom konnte ich immer nur einen "kalt staunenden Besuch" abstatten. Auch mochte ich niemals zugeben, daß das Geläut der riesengroßen Stadtglocken, wenn sie ohne Melodie und Harmonie tief und tiefer durch einander brummen, ein frommes oder andächtiges Gefühl erwecke, dagegen schien mir der klare Ton einer mäßigen Dorfglocke gerade hinreichend, um die Gemeinde zur Kirche zu rufen. Endlich will ich, um das Maaß meiner son des ungarischen Baron von Rosty, früheren Obersten eines Husarenregimentes. Er hatte alle Feldzüge gegen die Franzosen, die Erbfeinde des Kaiserhauses Habsburg durchgemacht, und glühte von Begeisterung, wenn er auf jene Zeiten zu sprechen kam. Mit edler männlicher Schönheit und hoher Gestalt verband er die natürliche Grazie der Bewegungen, die den meisten ungarischen Aristokraten eigen ist. Bei seinem martialischen Aeußeren besaß er eine unbeschreibliche, wahrhaft kindliche Gutmüthigkeit. Eine erhebende religiöse Feier ward uns bereitet durch die in der Dorfkirche vollzogene Einsegnung des jungen bildschönen Fräuleins Marie, der Begleiterin der Herzogin von Sagan. Bei den Abendmusiken sang sie einen volltönenden Alt, der auch als Sprechstimme alle Fibern eines musikalischen Herzens in freudige Schwingung setzte. Als sie am Altar ihr einfaches Glaubensbekenntniß mit melodischem Ausdrucke hersagte, da war es vielen schwer, ihre Rührung zu verbergen; dem weichmüthigen Obersten von Rosty rollten die hellen Thränen über die Wangen. Zu meiner Erbauung trug das Lokal nicht wenig bei: denn von jeher empfand ich mehr Andacht in der traulichen Enge einer reinlichen Dorfkirche, als in den großen angeräucherten städtischen Gotteshäusern; in den Riesendomen von Mailand, Florenz und Rom konnte ich immer nur einen „kalt staunenden Besuch“ abstatten. Auch mochte ich niemals zugeben, daß das Geläut der riesengroßen Stadtglocken, wenn sie ohne Melodie und Harmonie tief und tiefer durch einander brummen, ein frommes oder andächtiges Gefühl erwecke, dagegen schien mir der klare Ton einer mäßigen Dorfglocke gerade hinreichend, um die Gemeinde zur Kirche zu rufen. Endlich will ich, um das Maaß meiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0416" n="408"/> son des ungarischen Baron von Rosty, früheren Obersten eines Husarenregimentes. Er hatte alle Feldzüge gegen die Franzosen, die Erbfeinde des Kaiserhauses Habsburg durchgemacht, und glühte von Begeisterung, wenn er auf jene Zeiten zu sprechen kam. 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Zu meiner Erbauung trug das Lokal nicht wenig bei: denn von jeher empfand ich mehr Andacht in der traulichen Enge einer reinlichen Dorfkirche, als in den großen angeräucherten städtischen Gotteshäusern; in den Riesendomen von Mailand, Florenz und Rom konnte ich immer nur einen „kalt staunenden Besuch“ abstatten. Auch mochte ich niemals zugeben, daß das Geläut der riesengroßen Stadtglocken, wenn sie ohne Melodie und Harmonie tief und tiefer durch einander brummen, ein frommes oder andächtiges Gefühl erwecke, dagegen schien mir der klare Ton einer mäßigen Dorfglocke gerade hinreichend, um die Gemeinde zur Kirche zu rufen. Endlich will ich, um das Maaß meiner </p> </div> </body> </text> </TEI> [408/0416]
son des ungarischen Baron von Rosty, früheren Obersten eines Husarenregimentes. Er hatte alle Feldzüge gegen die Franzosen, die Erbfeinde des Kaiserhauses Habsburg durchgemacht, und glühte von Begeisterung, wenn er auf jene Zeiten zu sprechen kam. Mit edler männlicher Schönheit und hoher Gestalt verband er die natürliche Grazie der Bewegungen, die den meisten ungarischen Aristokraten eigen ist. Bei seinem martialischen Aeußeren besaß er eine unbeschreibliche, wahrhaft kindliche Gutmüthigkeit.
Eine erhebende religiöse Feier ward uns bereitet durch die in der Dorfkirche vollzogene Einsegnung des jungen bildschönen Fräuleins Marie, der Begleiterin der Herzogin von Sagan. Bei den Abendmusiken sang sie einen volltönenden Alt, der auch als Sprechstimme alle Fibern eines musikalischen Herzens in freudige Schwingung setzte. Als sie am Altar ihr einfaches Glaubensbekenntniß mit melodischem Ausdrucke hersagte, da war es vielen schwer, ihre Rührung zu verbergen; dem weichmüthigen Obersten von Rosty rollten die hellen Thränen über die Wangen. Zu meiner Erbauung trug das Lokal nicht wenig bei: denn von jeher empfand ich mehr Andacht in der traulichen Enge einer reinlichen Dorfkirche, als in den großen angeräucherten städtischen Gotteshäusern; in den Riesendomen von Mailand, Florenz und Rom konnte ich immer nur einen „kalt staunenden Besuch“ abstatten. Auch mochte ich niemals zugeben, daß das Geläut der riesengroßen Stadtglocken, wenn sie ohne Melodie und Harmonie tief und tiefer durch einander brummen, ein frommes oder andächtiges Gefühl erwecke, dagegen schien mir der klare Ton einer mäßigen Dorfglocke gerade hinreichend, um die Gemeinde zur Kirche zu rufen. Endlich will ich, um das Maaß meiner
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/416>, abgerufen am 16.07.2024. |