Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Die Protestanten genossen in Paris einer anständigen Freiheit, hatten aber unausgesetzt gegen die Anfeindungen des katholischen Klerus zu kämpfen, dem von Hause aus, wegen des Dogmas der alleinseligmachenden Kirche, die Unduldsamkeit und Proselytenmacherei gleichsam als Pflicht auferlegt wird. Die Cuviersche Familie, aus dem würtenbergischen stammend, war protestantisch; der Oheim hätte wohl in seiner bedeutenden amtlichen Stellung seinen Glaubensgenossen einen kräftigen Schutz gewähren können, doch gab der Neffe mir zu verstehn, daß die Scheu, bei der Regierung anzustoßen, den Oheim von manchem nützlichen Beginnen zurückhalte. Desto mehr erhob der Neffe das Verdienst der Herzogin von Kurland, die man als das Haupt und den Schutz der Protestanten in Paris zu verehren habe. Bei allen wohlthätigen und gemeinnützigen Unternehmungen stehe sie an der Spitze, und lasse keine Gelegenheit vorübergehn, die gute Sache zu fördern. Zwei wackre Geistliche, die Herren Göpp und Boissard, unterstützten sie auf das kräftigste, und so würde die Gemeinde sich in einem ganz erträglichen Zustande befinden, wenn sie nicht wiederholt von den ultramontanen Blättern die unwürdigsten Angriffe erführe. Dies sei um so weniger zu rechtfertigen, als alle Zeitungen, nicht bloß die politischen, unter der Censur ständen, jene Schmähungen würden also offenbar mit obrigkeitlicher Approbation gedruckt. Aber auch hier habe die Herzogin noch kürzlich einen männlichen Muth gezeigt. In einer Soiree bei dem Fürsten Talleyrand traf sie mit dem ihr wohlbekannten geistlichen Censor zusammen, der eben erst einem abscheulichen Schmähartikel gegen die Protestanten sein Imprimatur ge- Die Protestanten genossen in Paris einer anständigen Freiheit, hatten aber unausgesetzt gegen die Anfeindungen des katholischen Klerus zu kämpfen, dem von Hause aus, wegen des Dogmas der alleinseligmachenden Kirche, die Unduldsamkeit und Proselytenmacherei gleichsam als Pflicht auferlegt wird. Die Cuviersche Familie, aus dem würtenbergischen stammend, war protestantisch; der Oheim hätte wohl in seiner bedeutenden amtlichen Stellung seinen Glaubensgenossen einen kräftigen Schutz gewähren können, doch gab der Neffe mir zu verstehn, daß die Scheu, bei der Regierung anzustoßen, den Oheim von manchem nützlichen Beginnen zurückhalte. Desto mehr erhob der Neffe das Verdienst der Herzogin von Kurland, die man als das Haupt und den Schutz der Protestanten in Paris zu verehren habe. Bei allen wohlthätigen und gemeinnützigen Unternehmungen stehe sie an der Spitze, und lasse keine Gelegenheit vorübergehn, die gute Sache zu fördern. Zwei wackre Geistliche, die Herren Göpp und Boissard, unterstützten sie auf das kräftigste, und so würde die Gemeinde sich in einem ganz erträglichen Zustande befinden, wenn sie nicht wiederholt von den ultramontanen Blättern die unwürdigsten Angriffe erführe. Dies sei um so weniger zu rechtfertigen, als alle Zeitungen, nicht bloß die politischen, unter der Censur ständen, jene Schmähungen würden also offenbar mit obrigkeitlicher Approbation gedruckt. Aber auch hier habe die Herzogin noch kürzlich einen männlichen Muth gezeigt. In einer Soiree bei dem Fürsten Talleyrand traf sie mit dem ihr wohlbekannten geistlichen Censor zusammen, der eben erst einem abscheulichen Schmähartikel gegen die Protestanten sein Imprimatur ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0452" n="444"/> </p><lb/> <p>Die Protestanten genossen in Paris einer anständigen Freiheit, hatten aber unausgesetzt gegen die Anfeindungen des katholischen Klerus zu kämpfen, dem von Hause aus, wegen des Dogmas der alleinseligmachenden Kirche, die Unduldsamkeit und Proselytenmacherei gleichsam als Pflicht auferlegt wird. Die Cuviersche Familie, aus dem würtenbergischen stammend, war protestantisch; der Oheim hätte wohl in seiner bedeutenden amtlichen Stellung seinen Glaubensgenossen einen kräftigen Schutz gewähren können, doch gab der Neffe mir zu verstehn, daß die Scheu, bei der Regierung anzustoßen, den Oheim von manchem nützlichen Beginnen zurückhalte. </p><lb/> <p>Desto mehr erhob der Neffe das Verdienst der Herzogin von Kurland, die man als das Haupt und den Schutz der Protestanten in Paris zu verehren habe. Bei allen wohlthätigen und gemeinnützigen Unternehmungen stehe sie an der Spitze, und lasse keine Gelegenheit vorübergehn, die gute Sache zu fördern. Zwei wackre Geistliche, die Herren Göpp und Boissard, unterstützten sie auf das kräftigste, und so würde die Gemeinde sich in einem ganz erträglichen Zustande befinden, wenn sie nicht wiederholt von den ultramontanen Blättern die unwürdigsten Angriffe erführe. Dies sei um so weniger zu rechtfertigen, als alle Zeitungen, nicht bloß die politischen, unter der Censur ständen, jene Schmähungen würden also offenbar mit obrigkeitlicher Approbation gedruckt. </p><lb/> <p>Aber auch hier habe die Herzogin noch kürzlich einen männlichen Muth gezeigt. In einer Soiree bei dem Fürsten Talleyrand traf sie mit dem ihr wohlbekannten geistlichen Censor zusammen, der eben erst einem abscheulichen Schmähartikel gegen die Protestanten sein Imprimatur ge- </p> </div> </body> </text> </TEI> [444/0452]
Die Protestanten genossen in Paris einer anständigen Freiheit, hatten aber unausgesetzt gegen die Anfeindungen des katholischen Klerus zu kämpfen, dem von Hause aus, wegen des Dogmas der alleinseligmachenden Kirche, die Unduldsamkeit und Proselytenmacherei gleichsam als Pflicht auferlegt wird. Die Cuviersche Familie, aus dem würtenbergischen stammend, war protestantisch; der Oheim hätte wohl in seiner bedeutenden amtlichen Stellung seinen Glaubensgenossen einen kräftigen Schutz gewähren können, doch gab der Neffe mir zu verstehn, daß die Scheu, bei der Regierung anzustoßen, den Oheim von manchem nützlichen Beginnen zurückhalte.
Desto mehr erhob der Neffe das Verdienst der Herzogin von Kurland, die man als das Haupt und den Schutz der Protestanten in Paris zu verehren habe. Bei allen wohlthätigen und gemeinnützigen Unternehmungen stehe sie an der Spitze, und lasse keine Gelegenheit vorübergehn, die gute Sache zu fördern. Zwei wackre Geistliche, die Herren Göpp und Boissard, unterstützten sie auf das kräftigste, und so würde die Gemeinde sich in einem ganz erträglichen Zustande befinden, wenn sie nicht wiederholt von den ultramontanen Blättern die unwürdigsten Angriffe erführe. Dies sei um so weniger zu rechtfertigen, als alle Zeitungen, nicht bloß die politischen, unter der Censur ständen, jene Schmähungen würden also offenbar mit obrigkeitlicher Approbation gedruckt.
Aber auch hier habe die Herzogin noch kürzlich einen männlichen Muth gezeigt. In einer Soiree bei dem Fürsten Talleyrand traf sie mit dem ihr wohlbekannten geistlichen Censor zusammen, der eben erst einem abscheulichen Schmähartikel gegen die Protestanten sein Imprimatur ge-
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