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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Oheim eben beschäftigt, und das werde gewiß alle seine früheren Werke übertreffen.

Dann setzten wir uns an den Kamin, und waren in der besten Unterhaltung begriffen, als mir gegenüber in der Wand eine bisher unsichtbare Tapetenthür sich öffnete, und der Oheim im Hauskleide mit mehreren Papieren in der Hand eintrat. Nicht ohne Ueberraschung stand ich sogleich auf und verneigte mich, der Neffe stellte mich ohne alle Verlegenheit vor, und der Oheim war fein genug, nicht eine Spur von Erstaunen merken zu lassen. Er sei früher nach Hause gekommen, als er gedacht, warf er gegen den Neffen hin, und wir möchten uns nicht stören lassen. Nach einer belebten Unterhaltung, die er offenbar nicht abzukürzen suchte, um mich die Ungeschicklichkeit des Neffen nicht empfinden zu lassen, benutzte ich die erste Pause, um mich zu empfehlen. Der Neffe mußte bei unserem nächsten Zusammentreffen einige Vorwürfe hören, fand aber sein Betragen ganz in der Ordnung, da der Oheim ja wirklich früher als gewöhnlich heimgekehrt sei.



In Hinsicht der musikalischen Genüsse konnte ich diesen pariser Winter einen sehr reichen nennen; besonders erfreute ich mich an der trefflich besetzten italiänischen Oper, für welche mir, so oft ich wollte, die Loge der gütigen Herzogin offen stand. Rossini glänzte damals in der Sonnenhöhe seines Ruhmes; er war unermüdlich im Schaffen und jede neue Arbeit wurde mit Beifall aufgenommen.

Unter seinen Opern behauptete der die erste Stelle: ein Meisterstück des jovialsten Humores, eine Fundgrube lieblicher Melodien und die dankbarste

Oheim eben beschäftigt, und das werde gewiß alle seine früheren Werke übertreffen.

Dann setzten wir uns an den Kamin, und waren in der besten Unterhaltung begriffen, als mir gegenüber in der Wand eine bisher unsichtbare Tapetenthür sich öffnete, und der Oheim im Hauskleide mit mehreren Papieren in der Hand eintrat. Nicht ohne Ueberraschung stand ich sogleich auf und verneigte mich, der Neffe stellte mich ohne alle Verlegenheit vor, und der Oheim war fein genug, nicht eine Spur von Erstaunen merken zu lassen. Er sei früher nach Hause gekommen, als er gedacht, warf er gegen den Neffen hin, und wir möchten uns nicht stören lassen. Nach einer belebten Unterhaltung, die er offenbar nicht abzukürzen suchte, um mich die Ungeschicklichkeit des Neffen nicht empfinden zu lassen, benutzte ich die erste Pause, um mich zu empfehlen. Der Neffe mußte bei unserem nächsten Zusammentreffen einige Vorwürfe hören, fand aber sein Betragen ganz in der Ordnung, da der Oheim ja wirklich früher als gewöhnlich heimgekehrt sei.



In Hinsicht der musikalischen Genüsse konnte ich diesen pariser Winter einen sehr reichen nennen; besonders erfreute ich mich an der trefflich besetzten italiänischen Oper, für welche mir, so oft ich wollte, die Loge der gütigen Herzogin offen stand. Rossini glänzte damals in der Sonnenhöhe seines Ruhmes; er war unermüdlich im Schaffen und jede neue Arbeit wurde mit Beifall aufgenommen.

Unter seinen Opern behauptete der ‹Barbiere di Seviglia› die erste Stelle: ein Meisterstück des jovialsten Humores, eine Fundgrube lieblicher Melodien und die dankbarste

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[446/0454] Oheim eben beschäftigt, und das werde gewiß alle seine früheren Werke übertreffen. Dann setzten wir uns an den Kamin, und waren in der besten Unterhaltung begriffen, als mir gegenüber in der Wand eine bisher unsichtbare Tapetenthür sich öffnete, und der Oheim im Hauskleide mit mehreren Papieren in der Hand eintrat. Nicht ohne Ueberraschung stand ich sogleich auf und verneigte mich, der Neffe stellte mich ohne alle Verlegenheit vor, und der Oheim war fein genug, nicht eine Spur von Erstaunen merken zu lassen. Er sei früher nach Hause gekommen, als er gedacht, warf er gegen den Neffen hin, und wir möchten uns nicht stören lassen. Nach einer belebten Unterhaltung, die er offenbar nicht abzukürzen suchte, um mich die Ungeschicklichkeit des Neffen nicht empfinden zu lassen, benutzte ich die erste Pause, um mich zu empfehlen. Der Neffe mußte bei unserem nächsten Zusammentreffen einige Vorwürfe hören, fand aber sein Betragen ganz in der Ordnung, da der Oheim ja wirklich früher als gewöhnlich heimgekehrt sei. In Hinsicht der musikalischen Genüsse konnte ich diesen pariser Winter einen sehr reichen nennen; besonders erfreute ich mich an der trefflich besetzten italiänischen Oper, für welche mir, so oft ich wollte, die Loge der gütigen Herzogin offen stand. Rossini glänzte damals in der Sonnenhöhe seines Ruhmes; er war unermüdlich im Schaffen und jede neue Arbeit wurde mit Beifall aufgenommen. Unter seinen Opern behauptete der ‹Barbiere di Seviglia› die erste Stelle: ein Meisterstück des jovialsten Humores, eine Fundgrube lieblicher Melodien und die dankbarste

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/454>, abgerufen am 02.06.2024.