Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].sahen dann zusammen die Iphigenie en Aulide von Racine, der die Franzosen nächst der Athalie die schönste und eleganteste Diction beilegen. Leider hatte Talma in Betracht seiner 57 Jahre, die Rolle des Achill, früher als seine beste gepriesen, einem jüngeren Schauspieler abgetreten. Demoiselle Duchesnois machte aus der Klytemnestra eine wahre Megäre; als sie zuletzt wie eine Löwin brüllte, und das elektrisirte Publikum mit einem Beifallsgebrüll antwortete, fühlte Feuerbach sich körperlich so angegriffen, daß ich fürchtete, er könne unwohl werden. Nach dieser Probe wollte er nun gar nichts mehr von der klassischen französischen Tragödie wissen; bei einem längeren Aufenthalte in Paris würde er sein Urtheil gewiß modificirt haben. Reise nach Lyon. Der zweite Neffe der Herzogin, Graf Peter von Medem brachte den Winter in der Schweiz zu, und wollte im Frühjahr 1821 Paris besuchen. Wir waren immer in Korrespondenz geblieben, und hatten eine herzliche Neigung zu einander gefaßt, die sich durch allen Wechsel der Zeiten bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten hat. Er schrieb mir von Lausanne aus, und lud mich ein, ihm bis Lyon entgegen zu reisen. Ich nahm dies gern an, um etwas weiter in Frankreich vorzudringen. Auch erinnerte ich mich, daß mein Vater im Jahre 1782 oder 1783 in Lyon einen Jugendfreund, Namens Hilscher, einen Seidenfabrikanten besuchte. Was er uns über die schöne Lage sahen dann zusammen die Iphigénie en Aulide von Racine, der die Franzosen nächst der Athalie die schönste und eleganteste Diction beilegen. Leider hatte Talma in Betracht seiner 57 Jahre, die Rolle des Achill, früher als seine beste gepriesen, einem jüngeren Schauspieler abgetreten. Demoiselle Duchesnois machte aus der Klytemnestra eine wahre Megäre; als sie zuletzt wie eine Löwin brüllte, und das elektrisirte Publikum mit einem Beifallsgebrüll antwortete, fühlte Feuerbach sich körperlich so angegriffen, daß ich fürchtete, er könne unwohl werden. Nach dieser Probe wollte er nun gar nichts mehr von der klassischen französischen Tragödie wissen; bei einem längeren Aufenthalte in Paris würde er sein Urtheil gewiß modificirt haben. Reise nach Lyon. Der zweite Neffe der Herzogin, Graf Peter von Medem brachte den Winter in der Schweiz zu, und wollte im Frühjahr 1821 Paris besuchen. Wir waren immer in Korrespondenz geblieben, und hatten eine herzliche Neigung zu einander gefaßt, die sich durch allen Wechsel der Zeiten bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten hat. Er schrieb mir von Lausanne aus, und lud mich ein, ihm bis Lyon entgegen zu reisen. Ich nahm dies gern an, um etwas weiter in Frankreich vorzudringen. Auch erinnerte ich mich, daß mein Vater im Jahre 1782 oder 1783 in Lyon einen Jugendfreund, Namens Hilscher, einen Seidenfabrikanten besuchte. Was er uns über die schöne Lage <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0483" n="475"/> sahen dann zusammen die Iphigénie en Aulide von Racine, der die Franzosen nächst der Athalie die schönste und eleganteste Diction beilegen. Leider hatte Talma in Betracht seiner 57 Jahre, die Rolle des Achill, früher als seine beste gepriesen, einem jüngeren Schauspieler abgetreten. Demoiselle Duchesnois machte aus der Klytemnestra eine wahre Megäre; als sie zuletzt wie eine Löwin brüllte, und das elektrisirte Publikum mit einem Beifallsgebrüll antwortete, fühlte Feuerbach sich körperlich so angegriffen, daß ich fürchtete, er könne unwohl werden. Nach dieser Probe wollte er nun gar nichts mehr von der klassischen französischen Tragödie wissen; bei einem längeren Aufenthalte in Paris würde er sein Urtheil gewiß modificirt haben. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p rendition="#c">Reise nach Lyon.</p><lb/> <p>Der zweite Neffe der Herzogin, Graf Peter von Medem brachte den Winter in der Schweiz zu, und wollte im Frühjahr 1821 Paris besuchen. Wir waren immer in Korrespondenz geblieben, und hatten eine herzliche Neigung zu einander gefaßt, die sich durch allen Wechsel der Zeiten bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten hat. Er schrieb mir von Lausanne aus, und lud mich ein, ihm bis Lyon entgegen zu reisen. Ich nahm dies gern an, um etwas weiter in Frankreich vorzudringen. Auch erinnerte ich mich, daß mein Vater im Jahre 1782 oder 1783 in Lyon einen Jugendfreund, Namens Hilscher, einen Seidenfabrikanten besuchte. Was er uns über die schöne Lage </p> </div> </body> </text> </TEI> [475/0483]
sahen dann zusammen die Iphigénie en Aulide von Racine, der die Franzosen nächst der Athalie die schönste und eleganteste Diction beilegen. Leider hatte Talma in Betracht seiner 57 Jahre, die Rolle des Achill, früher als seine beste gepriesen, einem jüngeren Schauspieler abgetreten. Demoiselle Duchesnois machte aus der Klytemnestra eine wahre Megäre; als sie zuletzt wie eine Löwin brüllte, und das elektrisirte Publikum mit einem Beifallsgebrüll antwortete, fühlte Feuerbach sich körperlich so angegriffen, daß ich fürchtete, er könne unwohl werden. Nach dieser Probe wollte er nun gar nichts mehr von der klassischen französischen Tragödie wissen; bei einem längeren Aufenthalte in Paris würde er sein Urtheil gewiß modificirt haben.
Reise nach Lyon.
Der zweite Neffe der Herzogin, Graf Peter von Medem brachte den Winter in der Schweiz zu, und wollte im Frühjahr 1821 Paris besuchen. Wir waren immer in Korrespondenz geblieben, und hatten eine herzliche Neigung zu einander gefaßt, die sich durch allen Wechsel der Zeiten bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten hat. Er schrieb mir von Lausanne aus, und lud mich ein, ihm bis Lyon entgegen zu reisen. Ich nahm dies gern an, um etwas weiter in Frankreich vorzudringen. Auch erinnerte ich mich, daß mein Vater im Jahre 1782 oder 1783 in Lyon einen Jugendfreund, Namens Hilscher, einen Seidenfabrikanten besuchte. Was er uns über die schöne Lage
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