Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].was bei der ungemeinen Korpulenz des Monarchen eine mehr als gewöhnliche Selbstverläugnung erfordre. Nach dem Frieden von 1815 hatten die alliirten Mächte dem Könige Ludwig dem XVIII. den Herzog von Richelieu als Premierminister aufgedrängt, der im Jahre 1789 emigrirte, in russische Kriegsdienste trat und zehn Jahre lang als Generalgouvemeur der Krim in Odessa residirte. Er galt für einen Royalisten vom reinsten Wasser. Talleyrand sagte von ihm: c'est l'homme en France, qui connait le mieux la Crimee! Allein auch Richelieu war der Adels- und Priesterpartei nicht reactionär genug und wurde im Jahre 1818 entlassen. Als Ludwig XVIII. sich genöthigt sah, ihn von neuem zu berufen, um mit Villele und Corbiere ein ganz retrogrades Ministerium zu bilden, so ließ sich wohl voraussehn, daß alle Regierungsmaaßregeln einen entschiedenen Rückschritt nehmen würden. Am 17. April 1821 erfüllte Giamboni endlich sein Versprechen, uns Eintritt in die Deputirtenkammer zu verschaffen, was damals manchen Weitläufigkeiten unterlag. Der Saal, mit dem feinsten französischen Geschmacke eingerichtet, bot einen durchaus würdigen Anblick. Ravez, außer seinen übrigen Talenten mit einer wahren Stentorstimme begabt, thronte im Präsidentenstuhle. Die Linke war wenig zahlreich. Bei den letzten Wahlen hatte die Regierung alle Mittel angewendet, um die liberalen Kandidaten zu verdrängen. Man machte schon damals gar kein Hehl daraus, daß viele Wähler sich durch die übertrieben luxuriösen Ministerial-Diners hätten beeinflussen lassen, was nachher unter Villeles Premierschaft noch weiter fortgesetzt wurde. Die ministeriellen Zeitungen verspotteten das kleine Häuflein der Liberalen durch das virgilische: rarique in gurgite nantes! was bei der ungemeinen Korpulenz des Monarchen eine mehr als gewöhnliche Selbstverläugnung erfordre. Nach dem Frieden von 1815 hatten die alliirten Mächte dem Könige Ludwig dem XVIII. den Herzog von Richelieu als Premierminister aufgedrängt, der im Jahre 1789 emigrirte, in russische Kriegsdienste trat und zehn Jahre lang als Generalgouvemeur der Krim in Odessa residirte. Er galt für einen Royalisten vom reinsten Wasser. Talleyrand sagte von ihm: c’est l’homme en France, qui connait le mieux la Crimée! Allein auch Richelieu war der Adels- und Priesterpartei nicht reactionär genug und wurde im Jahre 1818 entlassen. Als Ludwig XVIII. sich genöthigt sah, ihn von neuem zu berufen, um mit Villèle und Corbière ein ganz retrogrades Ministerium zu bilden, so ließ sich wohl voraussehn, daß alle Regierungsmaaßregeln einen entschiedenen Rückschritt nehmen würden. Am 17. April 1821 erfüllte Giamboni endlich sein Versprechen, uns Eintritt in die Deputirtenkammer zu verschaffen, was damals manchen Weitläufigkeiten unterlag. Der Saal, mit dem feinsten französischen Geschmacke eingerichtet, bot einen durchaus würdigen Anblick. Ravez, außer seinen übrigen Talenten mit einer wahren Stentorstimme begabt, thronte im Präsidentenstuhle. Die Linke war wenig zahlreich. Bei den letzten Wahlen hatte die Regierung alle Mittel angewendet, um die liberalen Kandidaten zu verdrängen. Man machte schon damals gar kein Hehl daraus, daß viele Wähler sich durch die übertrieben luxuriösen Ministerial-Diners hätten beeinflussen lassen, was nachher unter Villeles Premierschaft noch weiter fortgesetzt wurde. 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Als Ludwig XVIII. sich genöthigt sah, ihn von neuem zu berufen, um mit Villèle und Corbière ein ganz retrogrades Ministerium zu bilden, so ließ sich wohl voraussehn, daß alle Regierungsmaaßregeln einen entschiedenen Rückschritt nehmen würden. </p><lb/> <p>Am 17. April 1821 erfüllte Giamboni endlich sein Versprechen, uns Eintritt in die Deputirtenkammer zu verschaffen, was damals manchen Weitläufigkeiten unterlag. Der Saal, mit dem feinsten französischen Geschmacke eingerichtet, bot einen durchaus würdigen Anblick. Ravez, außer seinen übrigen Talenten mit einer wahren Stentorstimme begabt, thronte im Präsidentenstuhle. Die Linke war wenig zahlreich. Bei den letzten Wahlen hatte die Regierung alle Mittel angewendet, um die liberalen Kandidaten zu verdrängen. Man machte schon damals gar kein Hehl daraus, daß viele Wähler sich durch die übertrieben luxuriösen Ministerial-Diners hätten beeinflussen lassen, was nachher unter Villeles Premierschaft noch weiter fortgesetzt wurde. 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was bei der ungemeinen Korpulenz des Monarchen eine mehr als gewöhnliche Selbstverläugnung erfordre.
Nach dem Frieden von 1815 hatten die alliirten Mächte dem Könige Ludwig dem XVIII. den Herzog von Richelieu als Premierminister aufgedrängt, der im Jahre 1789 emigrirte, in russische Kriegsdienste trat und zehn Jahre lang als Generalgouvemeur der Krim in Odessa residirte. Er galt für einen Royalisten vom reinsten Wasser. Talleyrand sagte von ihm: c’est l’homme en France, qui connait le mieux la Crimée! Allein auch Richelieu war der Adels- und Priesterpartei nicht reactionär genug und wurde im Jahre 1818 entlassen. Als Ludwig XVIII. sich genöthigt sah, ihn von neuem zu berufen, um mit Villèle und Corbière ein ganz retrogrades Ministerium zu bilden, so ließ sich wohl voraussehn, daß alle Regierungsmaaßregeln einen entschiedenen Rückschritt nehmen würden.
Am 17. April 1821 erfüllte Giamboni endlich sein Versprechen, uns Eintritt in die Deputirtenkammer zu verschaffen, was damals manchen Weitläufigkeiten unterlag. Der Saal, mit dem feinsten französischen Geschmacke eingerichtet, bot einen durchaus würdigen Anblick. Ravez, außer seinen übrigen Talenten mit einer wahren Stentorstimme begabt, thronte im Präsidentenstuhle. Die Linke war wenig zahlreich. Bei den letzten Wahlen hatte die Regierung alle Mittel angewendet, um die liberalen Kandidaten zu verdrängen. Man machte schon damals gar kein Hehl daraus, daß viele Wähler sich durch die übertrieben luxuriösen Ministerial-Diners hätten beeinflussen lassen, was nachher unter Villeles Premierschaft noch weiter fortgesetzt wurde. Die ministeriellen Zeitungen verspotteten das kleine Häuflein der Liberalen durch das virgilische: rarique in gurgite nantes!
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