Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].In der Sitzung, der wir beiwohnten, wurde eben eine Vorlage zur Beschränkung der Redefreiheit eingebracht. Eine hitzige Debatte entspann sich über die Frage, ob einem Kammerredner, der zweimal zur Ordnung gerufen sei, das Wort für immer entzogen werden solle? Von Rednern an jenem Tage habe ich mir notirt: Benjamin Constant, Sebastiani, Foy, Humblot de Conte, Manuel, Lameth, Girardin, Villele, Dudon. Ihre Reden waren nicht lang; die herkömlichen Pointen konnten immer auf Beifall rechnen. Benjamin Constant, von einer schweren Krankheit genesen, hatte zwei Krücken neben sich liegen; sein Vortrag war nicht bedeutend; er sprach zu schnell, mit zu großer Leidenschaft, und wurde oft unverständlich; mit Anstrengung erhob er sich jedes Mal von seinem Sitze, so oft die schwache Linke von der kompakten ministeriellen Majorität überstimmt wurde. Der elegante General Sebastiani sprach im Sinne der Opposition, aber ohne rechte Wärme. Der General Foy, ein kleiner blasser Mann mit feuersprühenden Augen, schleuderte im Beginne seiner Rede Vorwurf über Vorwurf gegen die Regierung, indem er sich immer weiter von dem Gegenstande der Berathung entfernte. Der Präsident machte ihn mit der äußersten Artigkeit darauf aufmerksam, aber vergebens. Das dumpfe Murren der Rechten wurde immer stärker, und zuletzt mußte der Redner, aufs höchste entrüstet, unter Zischen und Schreien die Tribüne verlassen. Man konnte sich kaum des Gedankens erwehren, daß er, im Vorgefühl der unvermeidlichen Ueberstimmung, noch einigen unnützen Spektakel habe machen wollen. In der Sitzung, der wir beiwohnten, wurde eben eine Vorlage zur Beschränkung der Redefreiheit eingebracht. Eine hitzige Debatte entspann sich über die Frage, ob einem Kammerredner, der zweimal zur Ordnung gerufen sei, das Wort für immer entzogen werden solle? Von Rednern an jenem Tage habe ich mir notirt: Benjamin Constant, Sebastiani, Foy, Humblot de Conté, Manuel, Lameth, Girardin, Villèle, Dudon. Ihre Reden waren nicht lang; die herkömlichen Pointen konnten immer auf Beifall rechnen. Benjamin Constant, von einer schweren Krankheit genesen, hatte zwei Krücken neben sich liegen; sein Vortrag war nicht bedeutend; er sprach zu schnell, mit zu großer Leidenschaft, und wurde oft unverständlich; mit Anstrengung erhob er sich jedes Mal von seinem Sitze, so oft die schwache Linke von der kompakten ministeriellen Majorität überstimmt wurde. Der elegante General Sebastiani sprach im Sinne der Opposition, aber ohne rechte Wärme. Der General Foy, ein kleiner blasser Mann mit feuersprühenden Augen, schleuderte im Beginne seiner Rede Vorwurf über Vorwurf gegen die Regierung, indem er sich immer weiter von dem Gegenstande der Berathung entfernte. Der Präsident machte ihn mit der äußersten Artigkeit darauf aufmerksam, aber vergebens. Das dumpfe Murren der Rechten wurde immer stärker, und zuletzt mußte der Redner, aufs höchste entrüstet, unter Zischen und Schreien die Tribüne verlassen. Man konnte sich kaum des Gedankens erwehren, daß er, im Vorgefühl der unvermeidlichen Ueberstimmung, noch einigen unnützen Spektakel habe machen wollen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0511" n="503"/> </p><lb/> <p>In der Sitzung, der wir beiwohnten, wurde eben eine Vorlage zur Beschränkung der Redefreiheit eingebracht. Eine hitzige Debatte entspann sich über die Frage, ob einem Kammerredner, der zweimal zur Ordnung gerufen sei, das Wort für immer entzogen werden solle? Von Rednern an jenem Tage habe ich mir notirt: Benjamin Constant, Sebastiani, Foy, Humblot de Conté, Manuel, Lameth, Girardin, Villèle, Dudon. Ihre Reden waren nicht lang; die herkömlichen Pointen konnten immer auf Beifall rechnen. Benjamin Constant, von einer schweren Krankheit genesen, hatte zwei Krücken neben sich liegen; sein Vortrag war nicht bedeutend; er sprach zu schnell, mit zu großer Leidenschaft, und wurde oft unverständlich; mit Anstrengung erhob er sich jedes Mal von seinem Sitze, so oft die schwache Linke von der kompakten ministeriellen Majorität überstimmt wurde. Der elegante General Sebastiani sprach im Sinne der Opposition, aber ohne rechte Wärme. Der General Foy, ein kleiner blasser Mann mit feuersprühenden Augen, schleuderte im Beginne seiner Rede Vorwurf über Vorwurf gegen die Regierung, indem er sich immer weiter von dem Gegenstande der Berathung entfernte. Der Präsident machte ihn mit der äußersten Artigkeit darauf aufmerksam, aber vergebens. Das dumpfe Murren der Rechten wurde immer stärker, und zuletzt mußte der Redner, aufs höchste entrüstet, unter Zischen und Schreien die Tribüne verlassen. Man konnte sich kaum des Gedankens erwehren, daß er, im Vorgefühl der unvermeidlichen Ueberstimmung, noch einigen unnützen Spektakel habe machen wollen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [503/0511]
In der Sitzung, der wir beiwohnten, wurde eben eine Vorlage zur Beschränkung der Redefreiheit eingebracht. Eine hitzige Debatte entspann sich über die Frage, ob einem Kammerredner, der zweimal zur Ordnung gerufen sei, das Wort für immer entzogen werden solle? Von Rednern an jenem Tage habe ich mir notirt: Benjamin Constant, Sebastiani, Foy, Humblot de Conté, Manuel, Lameth, Girardin, Villèle, Dudon. Ihre Reden waren nicht lang; die herkömlichen Pointen konnten immer auf Beifall rechnen. Benjamin Constant, von einer schweren Krankheit genesen, hatte zwei Krücken neben sich liegen; sein Vortrag war nicht bedeutend; er sprach zu schnell, mit zu großer Leidenschaft, und wurde oft unverständlich; mit Anstrengung erhob er sich jedes Mal von seinem Sitze, so oft die schwache Linke von der kompakten ministeriellen Majorität überstimmt wurde. Der elegante General Sebastiani sprach im Sinne der Opposition, aber ohne rechte Wärme. Der General Foy, ein kleiner blasser Mann mit feuersprühenden Augen, schleuderte im Beginne seiner Rede Vorwurf über Vorwurf gegen die Regierung, indem er sich immer weiter von dem Gegenstande der Berathung entfernte. Der Präsident machte ihn mit der äußersten Artigkeit darauf aufmerksam, aber vergebens. Das dumpfe Murren der Rechten wurde immer stärker, und zuletzt mußte der Redner, aufs höchste entrüstet, unter Zischen und Schreien die Tribüne verlassen. Man konnte sich kaum des Gedankens erwehren, daß er, im Vorgefühl der unvermeidlichen Ueberstimmung, noch einigen unnützen Spektakel habe machen wollen.
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