Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].vollkommene und vergängliche Pastell genügte der strebsamen Schülerin nicht, sie wandte sich zur Oelmalerei, und machte darin bald solche Fortschritte, daß sie mit ihren Arbeiten alle Bilder der Tante verdunkelte. Im Zimmer meines Vaters hingen einige schöne Brustbilder von Graff: der alte Graf von Medem in Mitau, bei dem mein Vater als Hauslehrer gelebt, die drei Söhne des Grafen und seine Tochter Dorothea, meines Vaters Schülerin. Diese Bilder hatten wir bisher als etwas alltägliches nur so obenhin angesehn, Emma betrachtete sie mit der grösten Aufmerksamkeit, lobte ihre Vorzüge, und gab uns, da auch einige minder gute Portraits von Darbes in der Nähe hingen, zuerst einen Begriff davon, daß zwischen Bildniß und Bildniß ein bedeutender Unterschied sei. Interessant war es zu bemerken, wie bei diesen lehrreichen Kunsturtheilen die Tante Doris sich mit der Nichte Emma auf eine ganz gleiche Stufe stellte. Nach wenig Wochen verließen uns Körners, besuchten Theodors Grabstätte bei Wöbbelin und gingen nach Dresden zurück. Wir hofften sie bald wiederzusehn, aber diese Hoffnung ging nur zum Theil in Erfüllung; die liebenswürdige Emma sollte nicht zurückkehren. Der Aufenthalt des alten Körner in Sachsen gestaltete sich nach den letzten Kriegsereignissen als kein angenehmer. Sein einziger Sohn war für die Befreiung Deutschlands in den Tod gegangen, während sein König zu den treusten Anhängern des Unterdrückers von Deutschland gehörte, und seine Landsleute sammt und sonders den giftigsten Preußenhaß athmeten. Als Theodor seinen Entschluß, in das preußische Heer einzutreten, von Wien aus dem Vater meldete, schrieb ihm dieser einen ausführ- vollkommene und vergängliche Pastell genügte der strebsamen Schülerin nicht, sie wandte sich zur Oelmalerei, und machte darin bald solche Fortschritte, daß sie mit ihren Arbeiten alle Bilder der Tante verdunkelte. Im Zimmer meines Vaters hingen einige schöne Brustbilder von Graff: der alte Graf von Medem in Mitau, bei dem mein Vater als Hauslehrer gelebt, die drei Söhne des Grafen und seine Tochter Dorothea, meines Vaters Schülerin. Diese Bilder hatten wir bisher als etwas alltägliches nur so obenhin angesehn, Emma betrachtete sie mit der grösten Aufmerksamkeit, lobte ihre Vorzüge, und gab uns, da auch einige minder gute Portraits von Darbes in der Nähe hingen, zuerst einen Begriff davon, daß zwischen Bildniß und Bildniß ein bedeutender Unterschied sei. Interessant war es zu bemerken, wie bei diesen lehrreichen Kunsturtheilen die Tante Doris sich mit der Nichte Emma auf eine ganz gleiche Stufe stellte. Nach wenig Wochen verließen uns Körners, besuchten Theodors Grabstätte bei Wöbbelin und gingen nach Dresden zurück. Wir hofften sie bald wiederzusehn, aber diese Hoffnung ging nur zum Theil in Erfüllung; die liebenswürdige Emma sollte nicht zurückkehren. Der Aufenthalt des alten Körner in Sachsen gestaltete sich nach den letzten Kriegsereignissen als kein angenehmer. Sein einziger Sohn war für die Befreiung Deutschlands in den Tod gegangen, während sein König zu den treusten Anhängern des Unterdrückers von Deutschland gehörte, und seine Landsleute sammt und sonders den giftigsten Preußenhaß athmeten. Als Theodor seinen Entschluß, in das preußische Heer einzutreten, von Wien aus dem Vater meldete, schrieb ihm dieser einen ausführ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062" n="54"/> vollkommene und vergängliche Pastell genügte der strebsamen Schülerin nicht, sie wandte sich zur Oelmalerei, und machte darin bald solche Fortschritte, daß sie mit ihren Arbeiten alle Bilder der Tante verdunkelte. </p><lb/> <p>Im Zimmer meines Vaters hingen einige schöne Brustbilder von Graff: der alte Graf von Medem in Mitau, bei dem mein Vater als Hauslehrer gelebt, die drei Söhne des Grafen und seine Tochter Dorothea, meines Vaters Schülerin. 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Sein einziger Sohn war für die Befreiung Deutschlands in den Tod gegangen, während sein König zu den treusten Anhängern des Unterdrückers von Deutschland gehörte, und seine Landsleute sammt und sonders den giftigsten Preußenhaß athmeten. Als Theodor seinen Entschluß, in das preußische Heer einzutreten, von Wien aus dem Vater meldete, schrieb ihm dieser einen ausführ- </p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0062]
vollkommene und vergängliche Pastell genügte der strebsamen Schülerin nicht, sie wandte sich zur Oelmalerei, und machte darin bald solche Fortschritte, daß sie mit ihren Arbeiten alle Bilder der Tante verdunkelte.
Im Zimmer meines Vaters hingen einige schöne Brustbilder von Graff: der alte Graf von Medem in Mitau, bei dem mein Vater als Hauslehrer gelebt, die drei Söhne des Grafen und seine Tochter Dorothea, meines Vaters Schülerin. Diese Bilder hatten wir bisher als etwas alltägliches nur so obenhin angesehn, Emma betrachtete sie mit der grösten Aufmerksamkeit, lobte ihre Vorzüge, und gab uns, da auch einige minder gute Portraits von Darbes in der Nähe hingen, zuerst einen Begriff davon, daß zwischen Bildniß und Bildniß ein bedeutender Unterschied sei. Interessant war es zu bemerken, wie bei diesen lehrreichen Kunsturtheilen die Tante Doris sich mit der Nichte Emma auf eine ganz gleiche Stufe stellte.
Nach wenig Wochen verließen uns Körners, besuchten Theodors Grabstätte bei Wöbbelin und gingen nach Dresden zurück. Wir hofften sie bald wiederzusehn, aber diese Hoffnung ging nur zum Theil in Erfüllung; die liebenswürdige Emma sollte nicht zurückkehren.
Der Aufenthalt des alten Körner in Sachsen gestaltete sich nach den letzten Kriegsereignissen als kein angenehmer. Sein einziger Sohn war für die Befreiung Deutschlands in den Tod gegangen, während sein König zu den treusten Anhängern des Unterdrückers von Deutschland gehörte, und seine Landsleute sammt und sonders den giftigsten Preußenhaß athmeten. Als Theodor seinen Entschluß, in das preußische Heer einzutreten, von Wien aus dem Vater meldete, schrieb ihm dieser einen ausführ-
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