Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].lassen; aber die Operation mislang und die Büsten waren ganz gelb geworden. Diesem Schicksale entging zum Glücke die herrliche Medusa Rondanini (jetzt in München), die im Bibliothekzimmer auf einer besonderen Konsole ihren Platz erhalten. Hier verbindet sich die höchste Schönheit mit dem graunvollen Erstarren des Todes. Wenn man irgend einen Gesichtsausdruck "unbeschreiblich" nennen darf, so ist es gewiß der dieser Meduse. Kohlrausch hatte sie stechen lassen und als Etikette in seine Bücher geklebt. Neben der Juno standen in den Ecken des Zimmers zwei Marmorbüsten von Thorwaldsen, ein Mars und ein Adonis, damals vermuthlich die einzigen Marmorarbeiten dieses Künstlers in Berlin. Von Thorwaldsen selbst wußte Kohlrausch uns manches interessante zu erzählen, wie er als der Sohn eines armen Schiffzimmermannes in Kopenhagen sich zuerst durch geschickte Holzschnitzereien an den Schiffschnäbeln bemerklich gemacht, wie er dann auf die K. Kunstakademie gekommen, aber entsetzlich faul gewesen sei. Beim Herannahen der letzten großen Prüfung war Thorwaldsen in Verzweiflung, weil ihn das Bewußtsein quälte, gar nichts gelernt zu haben. Die Schüler der Bildhauerkunst wurden bei diesem Examen jeder in ein besonderes Zimmer 12 Stunden lang verschlossen, und erhielten Material, um einen Kopf oder ein Basrelief zu modelliren. In der Angst seines Herzens nahm Thorwaldsen ein Fläschchen Rum mit in den Verschluß, und trank es alsbald aus, um sich zu begeistern. Die natürliche Folge davon war, daß er, an starke Getränke gar nicht gewöhnt, in einen tiefen Schlaf verfiel, und erst kurz vor der Eröffnungszeit erwachte. Nun raffte er sich zusammen, und lassen; aber die Operation mislang und die Büsten waren ganz gelb geworden. Diesem Schicksale entging zum Glücke die herrliche Medusa Rondanini (jetzt in München), die im Bibliothekzimmer auf einer besonderen Konsole ihren Platz erhalten. Hier verbindet sich die höchste Schönheit mit dem graunvollen Erstarren des Todes. Wenn man irgend einen Gesichtsausdruck „unbeschreiblich“ nennen darf, so ist es gewiß der dieser Meduse. Kohlrausch hatte sie stechen lassen und als Etikette in seine Bücher geklebt. Neben der Juno standen in den Ecken des Zimmers zwei Marmorbüsten von Thorwaldsen, ein Mars und ein Adonis, damals vermuthlich die einzigen Marmorarbeiten dieses Künstlers in Berlin. Von Thorwaldsen selbst wußte Kohlrausch uns manches interessante zu erzählen, wie er als der Sohn eines armen Schiffzimmermannes in Kopenhagen sich zuerst durch geschickte Holzschnitzereien an den Schiffschnäbeln bemerklich gemacht, wie er dann auf die K. Kunstakademie gekommen, aber entsetzlich faul gewesen sei. Beim Herannahen der letzten großen Prüfung war Thorwaldsen in Verzweiflung, weil ihn das Bewußtsein quälte, gar nichts gelernt zu haben. Die Schüler der Bildhauerkunst wurden bei diesem Examen jeder in ein besonderes Zimmer 12 Stunden lang verschlossen, und erhielten Material, um einen Kopf oder ein Basrelief zu modelliren. In der Angst seines Herzens nahm Thorwaldsen ein Fläschchen Rum mit in den Verschluß, und trank es alsbald aus, um sich zu begeistern. Die natürliche Folge davon war, daß er, an starke Getränke gar nicht gewöhnt, in einen tiefen Schlaf verfiel, und erst kurz vor der Eröffnungszeit erwachte. Nun raffte er sich zusammen, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0071" n="63"/> lassen; aber die Operation mislang und die Büsten waren ganz gelb geworden. Diesem Schicksale entging zum Glücke die herrliche Medusa Rondanini (jetzt in München), die im Bibliothekzimmer auf einer besonderen Konsole ihren Platz erhalten. Hier verbindet sich die höchste Schönheit mit dem graunvollen Erstarren des Todes. Wenn man irgend einen Gesichtsausdruck „unbeschreiblich“ nennen darf, so ist es gewiß der dieser Meduse. Kohlrausch hatte sie stechen lassen und als Etikette in seine Bücher geklebt. </p><lb/> <p>Neben der Juno standen in den Ecken des Zimmers zwei Marmorbüsten von Thorwaldsen, ein Mars und ein Adonis, damals vermuthlich die einzigen Marmorarbeiten dieses Künstlers in Berlin. Von Thorwaldsen selbst wußte Kohlrausch uns manches interessante zu erzählen, wie er als der Sohn eines armen Schiffzimmermannes in Kopenhagen sich zuerst durch geschickte Holzschnitzereien an den Schiffschnäbeln bemerklich gemacht, wie er dann auf die K. Kunstakademie gekommen, aber entsetzlich faul gewesen sei. Beim Herannahen der letzten großen Prüfung war Thorwaldsen in Verzweiflung, weil ihn das Bewußtsein quälte, gar nichts gelernt zu haben. Die Schüler der Bildhauerkunst wurden bei diesem Examen jeder in ein besonderes Zimmer 12 Stunden lang verschlossen, und erhielten Material, um einen Kopf oder ein Basrelief zu modelliren. In der Angst seines Herzens nahm Thorwaldsen ein Fläschchen Rum mit in den Verschluß, und trank es alsbald aus, um sich zu begeistern. Die natürliche Folge davon war, daß er, an starke Getränke gar nicht gewöhnt, in einen tiefen Schlaf verfiel, und erst kurz vor der Eröffnungszeit erwachte. Nun raffte er sich zusammen, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0071]
lassen; aber die Operation mislang und die Büsten waren ganz gelb geworden. Diesem Schicksale entging zum Glücke die herrliche Medusa Rondanini (jetzt in München), die im Bibliothekzimmer auf einer besonderen Konsole ihren Platz erhalten. Hier verbindet sich die höchste Schönheit mit dem graunvollen Erstarren des Todes. Wenn man irgend einen Gesichtsausdruck „unbeschreiblich“ nennen darf, so ist es gewiß der dieser Meduse. Kohlrausch hatte sie stechen lassen und als Etikette in seine Bücher geklebt.
Neben der Juno standen in den Ecken des Zimmers zwei Marmorbüsten von Thorwaldsen, ein Mars und ein Adonis, damals vermuthlich die einzigen Marmorarbeiten dieses Künstlers in Berlin. Von Thorwaldsen selbst wußte Kohlrausch uns manches interessante zu erzählen, wie er als der Sohn eines armen Schiffzimmermannes in Kopenhagen sich zuerst durch geschickte Holzschnitzereien an den Schiffschnäbeln bemerklich gemacht, wie er dann auf die K. Kunstakademie gekommen, aber entsetzlich faul gewesen sei. Beim Herannahen der letzten großen Prüfung war Thorwaldsen in Verzweiflung, weil ihn das Bewußtsein quälte, gar nichts gelernt zu haben. Die Schüler der Bildhauerkunst wurden bei diesem Examen jeder in ein besonderes Zimmer 12 Stunden lang verschlossen, und erhielten Material, um einen Kopf oder ein Basrelief zu modelliren. In der Angst seines Herzens nahm Thorwaldsen ein Fläschchen Rum mit in den Verschluß, und trank es alsbald aus, um sich zu begeistern. Die natürliche Folge davon war, daß er, an starke Getränke gar nicht gewöhnt, in einen tiefen Schlaf verfiel, und erst kurz vor der Eröffnungszeit erwachte. Nun raffte er sich zusammen, und
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