Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].so unbeschreiblich wohlthuend, daß selbst das größere Publikum, dem man sonst nicht allzuviel vorklagen darf, davon hingerissen wurde, und die Oper immer ein volles Haus machte. Die Stellungen der edlen, würdevollen Gestalt in der rührenden Scene mit den beiden Kindern, waren so vollendet plastisch, daß Rauch ihr vorschlug, eine Marmorstatue danach zu machen. Sie war gutmüthig genug, nach dem Preise zu fragen; als sie hörte, daß die Anschaffung des Marmorblockes ungefähr 400 Thlr. kosten werde, war nicht mehr davon die Rede. In Mozarts Figaro sang die Milder die Susanne, zwar nicht mit der Leichtigkeit einer französischen Soubrette, aber mit jenem bezaubernden Schmelz der Stimme, der sogar den durch und durch frivolen Inhalt des Stückes adelte. In der Erkennungscene des zweiten Aktes zwischen Bartolo, Marzelline und Figaro waren ihre verwunderten Ausrufe: Seine Mutter! Sein Vater! von so hinreißender Gewalt, daß sie niemals verfehlten, einen lauten Beifall hervorzurufen. Der alte Zelter sagte in seiner derben Art: dem Weibsbilde kömmt der Ton armsdick zur Kehle heraus! Nächst den Gluckschen hochtragischen Gestalten war die Emmeline in der Schweizerfamilie von Winter ganz und gar für die Stimme und Figur der Milder geeignet. Man glaubte in der That eine recht stämmige Bernerin aus dem Oberlande vor sich zu sehn, aber der dürftige Inhalt des Stückes übte keine große Anziehungskraft. Mehrere Male hörte ich von der Milder die Sopranpartie in Händels Messias vortragen, und seitdem erscheinen mir alle andern Ausführungen wie blasse Schattenbilder im Vergleich zur leuchtenden Sonne. Bei dem langsam so unbeschreiblich wohlthuend, daß selbst das größere Publikum, dem man sonst nicht allzuviel vorklagen darf, davon hingerissen wurde, und die Oper immer ein volles Haus machte. Die Stellungen der edlen, würdevollen Gestalt in der rührenden Scene mit den beiden Kindern, waren so vollendet plastisch, daß Rauch ihr vorschlug, eine Marmorstatue danach zu machen. Sie war gutmüthig genug, nach dem Preise zu fragen; als sie hörte, daß die Anschaffung des Marmorblockes ungefähr 400 Thlr. kosten werde, war nicht mehr davon die Rede. In Mozarts Figaro sang die Milder die Susanne, zwar nicht mit der Leichtigkeit einer französischen Soubrette, aber mit jenem bezaubernden Schmelz der Stimme, der sogar den durch und durch frivolen Inhalt des Stückes adelte. In der Erkennungscene des zweiten Aktes zwischen Bartolo, Marzelline und Figaro waren ihre verwunderten Ausrufe: Seine Mutter! Sein Vater! von so hinreißender Gewalt, daß sie niemals verfehlten, einen lauten Beifall hervorzurufen. Der alte Zelter sagte in seiner derben Art: dem Weibsbilde kömmt der Ton armsdick zur Kehle heraus! Nächst den Gluckschen hochtragischen Gestalten war die Emmeline in der Schweizerfamilie von Winter ganz und gar für die Stimme und Figur der Milder geeignet. Man glaubte in der That eine recht stämmige Bernerin aus dem Oberlande vor sich zu sehn, aber der dürftige Inhalt des Stückes übte keine große Anziehungskraft. Mehrere Male hörte ich von der Milder die Sopranpartie in Händels Messias vortragen, und seitdem erscheinen mir alle andern Ausführungen wie blasse Schattenbilder im Vergleich zur leuchtenden Sonne. Bei dem langsam <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="85"/> so unbeschreiblich wohlthuend, daß selbst das größere Publikum, dem man sonst nicht allzuviel vorklagen darf, davon hingerissen wurde, und die Oper immer ein volles Haus machte. Die Stellungen der edlen, würdevollen Gestalt in der rührenden Scene mit den beiden Kindern, waren so vollendet plastisch, daß Rauch ihr vorschlug, eine Marmorstatue danach zu machen. 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so unbeschreiblich wohlthuend, daß selbst das größere Publikum, dem man sonst nicht allzuviel vorklagen darf, davon hingerissen wurde, und die Oper immer ein volles Haus machte. Die Stellungen der edlen, würdevollen Gestalt in der rührenden Scene mit den beiden Kindern, waren so vollendet plastisch, daß Rauch ihr vorschlug, eine Marmorstatue danach zu machen. Sie war gutmüthig genug, nach dem Preise zu fragen; als sie hörte, daß die Anschaffung des Marmorblockes ungefähr 400 Thlr. kosten werde, war nicht mehr davon die Rede.
In Mozarts Figaro sang die Milder die Susanne, zwar nicht mit der Leichtigkeit einer französischen Soubrette, aber mit jenem bezaubernden Schmelz der Stimme, der sogar den durch und durch frivolen Inhalt des Stückes adelte. In der Erkennungscene des zweiten Aktes zwischen Bartolo, Marzelline und Figaro waren ihre verwunderten Ausrufe: Seine Mutter! Sein Vater! von so hinreißender Gewalt, daß sie niemals verfehlten, einen lauten Beifall hervorzurufen. Der alte Zelter sagte in seiner derben Art: dem Weibsbilde kömmt der Ton armsdick zur Kehle heraus!
Nächst den Gluckschen hochtragischen Gestalten war die Emmeline in der Schweizerfamilie von Winter ganz und gar für die Stimme und Figur der Milder geeignet. Man glaubte in der That eine recht stämmige Bernerin aus dem Oberlande vor sich zu sehn, aber der dürftige Inhalt des Stückes übte keine große Anziehungskraft.
Mehrere Male hörte ich von der Milder die Sopranpartie in Händels Messias vortragen, und seitdem erscheinen mir alle andern Ausführungen wie blasse Schattenbilder im Vergleich zur leuchtenden Sonne. Bei dem langsam
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