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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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getragenen: Tröstet, tröstet Zion! war es, als ob ein Meer von Licht sich durch den Saal ergösse.

Mein Vater lud die Milder öfter ein; wir hatten daher das Vergnügen, sie auch im Zimmer zu hören, und etwas näher mit ihr bekannt zu werden. Ihr Betragen auf und außer der Bühne blieb sich immer gleich; sie war nichts weniger als das, was man eine Theaterprinzessin zu nennen pflegt, sondern eine einfache natürliche Wienerin. Ihr Vater stand als Beamter bei der östreichischen Internunciatur in Konstantinopel, und hier war die Milder auch geboren. In Wien heirathete sie einen Herrn Hauptmann; die Ehe war nicht glücklich, und wurde nach einigen Jahren getrennt; die beiden Kinder blieben beim Vater. Wegen ihrer wunderbar schönen und starken Stimme rieth man ihr allgemein, zum Theater zu gehn, allein sie hatte gar keine Lust dazu. "Als es nun doch entschieden war", erzählte sie uns eines Abends, "daß ich zum Theater gehn sollt, da hab' i mich hing'setzt, und einen ganzen Tag g'weint, aber nacher nit mehr." Von einem Einstudiren der Rollen in Bezug auf das Spiel wußte sie nichts, sondern sie ließ sich allein von ihrem natürlichen Gefühle leiten. Vor der Aufführung der Alceste riethen ihr einige wohlmeinende Freunde, die Rolle mit einem Theaterverständigen durchzugehn. "Wozu hab' ich's nothwendig?" sagte sie ganz einfach; "da ist eine gute Ehefrau, die für ihren Mann sterben, und ihre Kinderle doch nit gern verlassen will, das kann ja nit schwer zu spielen sein." Und in der That war diese Rolle ihr Triumph an seelerregendem Gesang und ausdrucksvollen Stellungen. Wegen ihrer natürlichen Furchtsamkeit waren ihr Versenkungen, Luftfahrten etc. auf dem Theater äußerst zuwider. Das

getragenen: Tröstet, tröstet Zion! war es, als ob ein Meer von Licht sich durch den Saal ergösse.

Mein Vater lud die Milder öfter ein; wir hatten daher das Vergnügen, sie auch im Zimmer zu hören, und etwas näher mit ihr bekannt zu werden. Ihr Betragen auf und außer der Bühne blieb sich immer gleich; sie war nichts weniger als das, was man eine Theaterprinzessin zu nennen pflegt, sondern eine einfache natürliche Wienerin. Ihr Vater stand als Beamter bei der östreichischen Internunciatur in Konstantinopel, und hier war die Milder auch geboren. In Wien heirathete sie einen Herrn Hauptmann; die Ehe war nicht glücklich, und wurde nach einigen Jahren getrennt; die beiden Kinder blieben beim Vater. Wegen ihrer wunderbar schönen und starken Stimme rieth man ihr allgemein, zum Theater zu gehn, allein sie hatte gar keine Lust dazu. „Als es nun doch entschieden war“, erzählte sie uns eines Abends, „daß ich zum Theater gehn sollt, da hab’ i mich hing’setzt, und einen ganzen Tag g’weint, aber nacher nit mehr.“ Von einem Einstudiren der Rollen in Bezug auf das Spiel wußte sie nichts, sondern sie ließ sich allein von ihrem natürlichen Gefühle leiten. Vor der Aufführung der Alceste riethen ihr einige wohlmeinende Freunde, die Rolle mit einem Theaterverständigen durchzugehn. „Wozu hab’ ich’s nothwendig?“ sagte sie ganz einfach; „da ist eine gute Ehefrau, die für ihren Mann sterben, und ihre Kinderle doch nit gern verlassen will, das kann ja nit schwer zu spielen sein.“ Und in der That war diese Rolle ihr Triumph an seelerregendem Gesang und ausdrucksvollen Stellungen. Wegen ihrer natürlichen Furchtsamkeit waren ihr Versenkungen, Luftfahrten etc. auf dem Theater äußerst zuwider. Das

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[86/0094] getragenen: Tröstet, tröstet Zion! war es, als ob ein Meer von Licht sich durch den Saal ergösse. Mein Vater lud die Milder öfter ein; wir hatten daher das Vergnügen, sie auch im Zimmer zu hören, und etwas näher mit ihr bekannt zu werden. Ihr Betragen auf und außer der Bühne blieb sich immer gleich; sie war nichts weniger als das, was man eine Theaterprinzessin zu nennen pflegt, sondern eine einfache natürliche Wienerin. Ihr Vater stand als Beamter bei der östreichischen Internunciatur in Konstantinopel, und hier war die Milder auch geboren. In Wien heirathete sie einen Herrn Hauptmann; die Ehe war nicht glücklich, und wurde nach einigen Jahren getrennt; die beiden Kinder blieben beim Vater. Wegen ihrer wunderbar schönen und starken Stimme rieth man ihr allgemein, zum Theater zu gehn, allein sie hatte gar keine Lust dazu. „Als es nun doch entschieden war“, erzählte sie uns eines Abends, „daß ich zum Theater gehn sollt, da hab’ i mich hing’setzt, und einen ganzen Tag g’weint, aber nacher nit mehr.“ Von einem Einstudiren der Rollen in Bezug auf das Spiel wußte sie nichts, sondern sie ließ sich allein von ihrem natürlichen Gefühle leiten. Vor der Aufführung der Alceste riethen ihr einige wohlmeinende Freunde, die Rolle mit einem Theaterverständigen durchzugehn. „Wozu hab’ ich’s nothwendig?“ sagte sie ganz einfach; „da ist eine gute Ehefrau, die für ihren Mann sterben, und ihre Kinderle doch nit gern verlassen will, das kann ja nit schwer zu spielen sein.“ Und in der That war diese Rolle ihr Triumph an seelerregendem Gesang und ausdrucksvollen Stellungen. Wegen ihrer natürlichen Furchtsamkeit waren ihr Versenkungen, Luftfahrten etc. auf dem Theater äußerst zuwider. Das

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/94>, abgerufen am 21.11.2024.