Eratosthenes war der erste, welcher eine Gradmessung anstelte, die aber mehr eine Schäzung zu nennen ist. Er war Bibliothe- kar am Museum in Alexandrien, und gründete seine Arbeit auf die Betrachtung, dass in Syene ein Brunnen sei, aufin dessen Grunde man am längsten Tage das Sonnenbild im Wasser sehe; so wie es auch bekant war, dass an dieser Zeit alle Tempel und Gebäude in Syene und auf der Insel Philae keinen Schatten werfen. Er mas nun an diesem Tage die Höhe der Sonne, wie Cleomedes sagt, mit einer kupfernen Schüssel, skaphe, in deren Mitte ein Stift von vielen konzentrischen Ringen umgeben stand, also mit einem sehr rohen Instrument, und fand den Unterschied gegen Alexandrien 7° 12'. Die Karavanenstrasse (also wieder eine sehr ungenaue Messung) gab ihm für die Entfernung von Syene bis Alexandrien 5000 Stadien, und hienach berechnete er den Umfang der ganzen Erde auf 252,000 Stadien. Wie wenig Genauigkeit die ganze Sache hatte, sieht man schon aus der Vernachlässigung 2er Punkte: 1, dass er auf den Durch- messer des Sonnenbildes im Brunnen keine Rüksicht nahm, 2, dass Alexandria und Syene nicht genau in demselben Meridian
Eratosthenes war der erste, welcher eine Gradmessung anstelte, die aber mehr eine Schäzung zu nennen ist. Er war Bibliothe- kar am Museum in Alexandrien, und gründete seine Arbeit auf die Betrachtung, dass in Syene ein Brunnen sei, aufin dessen Grunde man am längsten Tage das Sonnenbild im Wasser sehe; so wie es auch bekant war, dass an dieser Zeit alle Tempel und Gebäude in Syene und auf der Insel Philae keinen Schatten werfen. Er mas nun an diesem Tage die Höhe der Sonne, wie Cleomedes sagt, mit einer kupfernen Schüssel, σκάφη, in deren Mitte ein Stift von vielen konzentrischen Ringen umgeben stand, also mit einem sehr rohen Instrument, und fand den Unterschied gegen Alexandrien 7° 12′. Die Karavanenstrasse (also wieder eine sehr ungenaue Messung) gab ihm für die Entfernung von Syene bis Alexandrien 5000 Stadien, und hienach berechnete er den Umfang der ganzen Erde auf 252,000 Stadien. Wie wenig Genauigkeit die ganze Sache hatte, sieht man schon aus der Vernachlässigung 2er Punkte: 1, dass er auf den Durch- messer des Sonnenbildes im Brunnen keine Rüksicht nahm, 2, dass Alexandria und Syene nicht genau in demselben Meridian
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[141v/0286]
Eratosthenes war der erste, welcher eine Gradmessung anstelte,
die aber mehr eine Schäzung zu nennen ist. Er war Bibliothe-
kar am Museum in Alexandrien, und gründete seine Arbeit
auf die Betrachtung, dass in Syene ein Brunnen sei, in dessen
Grunde man am längsten Tage das Sonnenbild im Wasser sehe;
so wie es auch bekant war, dass an dieser Zeit alle Tempel und
Gebäude in Syene und auf der Insel Philae keinen Schatten
werfen. Er mas nun an diesem Tage die Höhe der Sonne, wie
Cleomedes sagt, mit einer kupfernen Schüssel, σκάφη, in deren
Mitte ein Stift von vielen konzentrischen Ringen umgeben stand,
also mit einem sehr rohen Instrument, und fand den Unterschied
gegen Alexandrien 7° 12′. Die Karavanenstrasse (also wieder eine
sehr ungenaue Messung) gab ihm für die Entfernung von
Syene bis Alexandrien 5000 Stadien, und hienach berechnete
er den Umfang der ganzen Erde auf 252,000 Stadien. Wie
wenig Genauigkeit die ganze Sache hatte, sieht man schon aus
der Vernachlässigung 2er Punkte: 1, dass er auf den Durch-
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Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 141v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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