Wir kommen nun zum dritten Theil unserer Prolegomenen, welcher einen kurze Geschichte unserer Wissenschaft bei den abendländischen Völkern geben soll: bei den andern ist uns zu wenig davon bekant, als dass wir sie genau verfolgen könten.
Eine begeisterte Ahndung des Algemeinen müssen wir auch bei den sogenanten wilden Völkern voraussezen, wenn wir bei ihnen das Gefühl des Naturganzen erklären wollen, jenes Naturganzen von dem wir eine vernunftmässige Erkentnis bei den mehr ge- bildeten Völkern vorfinden: so wie der Horizont sich allen Wissen- schaften erweitert, so rükt diese Erkentnis näher und näher.
Bei den Völkern welche den sogenanten Naturzustande näher sind, gleichsam wie Pflanzen an den Boden geheftet, bei diesen gewint jede Erscheinung der Natur eine Bedeutsamkeit, welche sich bis auf die ärmsten Theile herab erstrekt. Lichtvoll entwik- kelt finden wir diese Ansicht in Prof. Ehrenberg's Schrift über den Karakter der Nordafrikanischen Wüsten.
Die sogenanten Urvölker sind beinahe eine modische Sitte geworden, bei der wir uns nicht aufzuhalten haben: man rechnete nach und nach dazu die Semiten, die Atlanten, Kelten, die Bewohner von Irak, endlich die Inder, während man nach allen Beobachtungen annehmen kann, dass die Erkentnis einer Natureinheit
Wir kommen nun zum dritten Theil unserer Prolegomenen, welcher einen kurze Geschichte unserer Wissenschaft bei den abendländischen Völkern geben soll: bei den andern ist uns zu wenig davon bekant, als dass wir sie genau verfolgen könten.
Eine begeisterte Ahndung des Algemeinen müssen wir auch bei den sogenanten wilden Völkern voraussezen, wenn wir bei ihnen das Gefühl des Naturganzen erklären wollen, jenes Naturganzen von dem wir eine vernunftmässige Erkentnis bei den mehr ge- bildeten Völkern vorfinden: so wie der Horizont sich allen Wissen- schaften erweitert, so rükt diese Erkentnis näher und näher.
Bei den Völkern welche den sogenanten Naturzustande näher sind, gleichsam wie Pflanzen an den Boden geheftet, bei diesen gewint jede Erscheinung der Natur eine Bedeutsamkeit, welche sich bis auf die ärmsten Theile herab erstrekt. Lichtvoll entwik- kelt finden wir diese Ansicht in Prof. Ehrenberg’s Schrift über den Karakter der Nordafrikanischen Wüsten.
Die sogenanten Urvölker sind beinahe eine modische Sitte geworden, bei der wir uns nicht aufzuhalten haben: man rechnete nach und nach dazu die Semiten, die Atlanten, Kelten, die Bewohner von Irak, endlich die Inder, während man nach allen Beobachtungen annehmen kann, dass die Erkentnis einer Natureinheit
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[27v/0058]
Wir kommen nun zum dritten Theil unserer Prolegomenen, welcher
eine kurze Geschichte unserer Wissenschaft bei den abendländischen
Völkern geben soll: bei den andern ist uns zu wenig davon bekant,
als dass wir sie genau verfolgen könten.
Eine begeisterte Ahndung des Algemeinen müssen wir auch bei
den sogenanten wilden Völkern voraussezen, wenn wir bei ihnen
das Gefühl des Naturganzen erklären wollen, jenes Naturganzen
von dem wir eine vernunftmässige Erkentnis bei den mehr ge-
bildeten Völkern vorfinden: so wie der Horizont sich allen Wissen-
schaften erweitert, so rükt diese Erkentnis näher und näher.
Bei den Völkern welche den sogenanten Naturzustande näher
sind, gleichsam wie Pflanzen an den Boden geheftet, bei diesen
gewint jede Erscheinung der Natur eine Bedeutsamkeit, welche
sich bis auf die ärmsten Theile herab erstrekt. Lichtvoll entwik-
kelt finden wir diese Ansicht in Prof. Ehrenberg’s Schrift über
den Karakter der Nordafrikanischen Wüsten.
Die sogenanten Urvölker sind beinahe eine modische Sitte
geworden, bei der wir uns nicht aufzuhalten haben: man
rechnete nach und nach dazu die Semiten, die Atlanten, Kelten,
die Bewohner von Irak, endlich die Inder, während man nach allen
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Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 27v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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