es sollte ein froher lezter Abend werden. -- Theuere Eltern geben schwer erdarbtes Geld zum Notariate her -- der arme Kandidat giebt mir von Kindes¬ beinen an Lehrstunden fast in allem -- Gott segnet mich mit dem Himmel an Platos Herzen -- -- und ich Satan fahre so höllisch auf! O Gott, o Gott! -- Aber mein alter Glaube, Goldine, wie trift er immer ein: nach jeder rechter inniger Seeligkeit des Herzens folgt ein schweres Unglük."
"Das dacht' ich gleich, sagte Goldine zornig, man schlage Sie ans Kreuz, so werden Sie eine fest¬ genagelte Hand vom Queerbalken losarbeiten, um damit einem Kriegsknecht seine zu drücken. -- Haben denn Sie oder die Strohköpfe droben den heutigen Weinmonat, ich möchte sagen zum Wein¬ essigmonat, versäuert?" "Ich kenne, versezte er, keine andere Ungerechtigkeiten gewis und genau, als die ich an andern verübe; -- die so andere an mir begehen, können mir wegen der Ungewi߬ heit der Gesinnungen nie ganz klar und entschie¬ den seyn. Ach es giebt ja mehr Irthümer des Hasses als der Liebe. Wenn nun einmal eine Natur, welche die Antithese und Dissonanz der
es ſollte ein froher lezter Abend werden. — Theuere Eltern geben ſchwer erdarbtes Geld zum Notariate her — der arme Kandidat giebt mir von Kindes¬ beinen an Lehrſtunden faſt in allem — Gott ſegnet mich mit dem Himmel an Platos Herzen — — und ich Satan fahre ſo hoͤllisch auf! O Gott, o Gott! — Aber mein alter Glaube, Goldine, wie trift er immer ein: nach jeder rechter inniger Seeligkeit des Herzens folgt ein ſchweres Ungluͤk.“
„Das dacht' ich gleich, ſagte Goldine zornig, man ſchlage Sie ans Kreuz, ſo werden Sie eine feſt¬ genagelte Hand vom Queerbalken losarbeiten, um damit einem Kriegsknecht ſeine zu druͤcken. — Haben denn Sie oder die Strohkoͤpfe droben den heutigen Weinmonat, ich moͤchte ſagen zum Wein¬ eſſigmonat, verſaͤuert?“ „Ich kenne, verſezte er, keine andere Ungerechtigkeiten gewis und genau, als die ich an andern veruͤbe; — die ſo andere an mir begehen, koͤnnen mir wegen der Ungewi߬ heit der Geſinnungen nie ganz klar und entſchie¬ den ſeyn. Ach es giebt ja mehr Irthuͤmer des Haſſes als der Liebe. Wenn nun einmal eine Natur, welche die Antitheſe und Diſſonanz der
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es ſollte ein froher lezter Abend werden. — Theuere
Eltern geben ſchwer erdarbtes Geld zum Notariate
her — der arme Kandidat giebt mir von Kindes¬
beinen an Lehrſtunden faſt in allem — Gott ſegnet
mich mit dem Himmel an Platos Herzen — —
und ich Satan fahre ſo hoͤllisch auf! O Gott,
o Gott! — Aber mein alter Glaube, Goldine,
wie trift er immer ein: nach jeder rechter inniger
Seeligkeit des Herzens folgt ein ſchweres Ungluͤk.“
„Das dacht' ich gleich, ſagte Goldine zornig,
man ſchlage Sie ans Kreuz, ſo werden Sie eine feſt¬
genagelte Hand vom Queerbalken losarbeiten, um
damit einem Kriegsknecht ſeine zu druͤcken. —
Haben denn Sie oder die Strohkoͤpfe droben den
heutigen Weinmonat, ich moͤchte ſagen zum Wein¬
eſſigmonat, verſaͤuert?“ „Ich kenne, verſezte er,
keine andere Ungerechtigkeiten gewis und genau,
als die ich an andern veruͤbe; — die ſo andere
an mir begehen, koͤnnen mir wegen der Ungewi߬
heit der Geſinnungen nie ganz klar und entſchie¬
den ſeyn. Ach es giebt ja mehr Irthuͤmer des
Haſſes als der Liebe. Wenn nun einmal eine
Natur, welche die Antitheſe und Diſſonanz der
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/126>, abgerufen am 16.02.2025.
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