Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.Wider Vults Erwarten stellte der Notarius Wider Vults Erwarten ſtellte der Notarius <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0125" n="115"/> <p>Wider Vults Erwarten ſtellte der Notarius<lb/> ſich unter ſeinen Apfelbaum, und hob nach der<lb/> Sternenſeite des Lebens, nach dem Himmel, das<lb/> beſeelte Antliz, auf welchem alle ſeine Gedichte<lb/> und Traͤume zu zaͤhlen waren. Beinahe waͤre<lb/> der Floͤtenſpieler auf die verlezte Bruſt als ein<lb/> weicher Pfuͤhl herabgefallen; er haͤtte gern den<lb/> naſſen guten Sangvogel, dem es wie der Lerche<lb/> gegangen, die auf das todte Meer, als waͤre<lb/> es bluͤhendes Land, herunterſtuͤrzt und darinn<lb/> erſaͤuft, hoch unter die troknende Sonne gehalten;<lb/> aber Goldinens Ankunft verbot die ſchoͤne Erken¬<lb/> nung, ſie nahm Walts Hand, aber er ſchaute<lb/> noch immer mit tauben Augen nach der Hoͤhe,<lb/> wo nur helle Sterne, keine truͤbe Erde ſtanden:<lb/> „H. Gottwalt, ſagte ſie, denken Sie nicht mehr<lb/> uͤber die proſaiſchen Pinſel. Sie haben ſie abge¬<lb/> trumpft. Dem Juriſten ſtreu ich heute noch<lb/> Pfeffer in den Tabak und dem Kandidaten Tabak<lb/> in den Pfeffer.“ „Nein liebe Goldine, fieng er<lb/> mit ſchmerzlich ſanfter Stimme an, nein, ich<lb/> war es heute nicht werth, daß mich der große,<lb/> Plato kuͤſſe. War es denn moͤglich? — Gott!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [115/0125]
Wider Vults Erwarten ſtellte der Notarius
ſich unter ſeinen Apfelbaum, und hob nach der
Sternenſeite des Lebens, nach dem Himmel, das
beſeelte Antliz, auf welchem alle ſeine Gedichte
und Traͤume zu zaͤhlen waren. Beinahe waͤre
der Floͤtenſpieler auf die verlezte Bruſt als ein
weicher Pfuͤhl herabgefallen; er haͤtte gern den
naſſen guten Sangvogel, dem es wie der Lerche
gegangen, die auf das todte Meer, als waͤre
es bluͤhendes Land, herunterſtuͤrzt und darinn
erſaͤuft, hoch unter die troknende Sonne gehalten;
aber Goldinens Ankunft verbot die ſchoͤne Erken¬
nung, ſie nahm Walts Hand, aber er ſchaute
noch immer mit tauben Augen nach der Hoͤhe,
wo nur helle Sterne, keine truͤbe Erde ſtanden:
„H. Gottwalt, ſagte ſie, denken Sie nicht mehr
uͤber die proſaiſchen Pinſel. Sie haben ſie abge¬
trumpft. Dem Juriſten ſtreu ich heute noch
Pfeffer in den Tabak und dem Kandidaten Tabak
in den Pfeffer.“ „Nein liebe Goldine, fieng er
mit ſchmerzlich ſanfter Stimme an, nein, ich
war es heute nicht werth, daß mich der große,
Plato kuͤſſe. War es denn moͤglich? — Gott!
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