Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.Osten heran. In Mitternacht glomm es leise Vult vergabs dem Notar, daß er kaum zu Auf Reisen trift man Leute an, die darauf "Warum siehst du mich so an, geliebter Oſten heran. In Mitternacht glomm es leiſe Vult vergabs dem Notar, daß er kaum zu Auf Reiſen trift man Leute an, die darauf „Warum ſiehſt du mich ſo an, geliebter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0184" n="174"/> Oſten heran. In Mitternacht glomm es leiſe<lb/> wie Apfelbluͤthe an und liebliche Blize aus Mor¬<lb/> gen ſpielten heruͤber in das junge Roth. Die<lb/> nahen Birken dufteten zu den Bruͤdern hinab, die<lb/> Heu-Berge unten dufteten hinauf. Mancher<lb/> Stern half ſich heraus in die Daͤmmerung und<lb/> wurde eine Flug-Maſchine der Seele.</p><lb/> <p>Vult vergabs dem Notar, daß er kaum zu<lb/> bleiben wuſte. Er hatte ſo viele Dinge, und<lb/> unter ihnen den Kraͤzer im Kopfe; denn in die¬<lb/> ſem entſezlichen Weine, wahrem Weinbergs-Un¬<lb/> kraut fuͤr Vult, hatte ſich der arme Teufel —<lb/> dem Wein ſo hoch klang wie Aether — immer<lb/> tiefer in ſeine Jahre zuruͤckgetrunken, ins 20te,<lb/> ins 18te und leztlich ins 15te.</p><lb/> <p>Auf Reiſen trift man Leute an, die darauf<lb/> zuruͤckſchwimmen bis ins 1te Jahr, bis an<lb/> die Quelle. Vormittags predigen es die Aebte<lb/> in ihren Viſitazionspredigten: werdet wie die<lb/> Kinder! Und Abends werden ſie es ſammt dem<lb/> Kloſter und beide lallen kindlich.</p><lb/> <p>„Warum ſiehſt du mich ſo an, geliebter<lb/> Vult?” ſagte Walt. — „Ich denke an die ver¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0184]
Oſten heran. In Mitternacht glomm es leiſe
wie Apfelbluͤthe an und liebliche Blize aus Mor¬
gen ſpielten heruͤber in das junge Roth. Die
nahen Birken dufteten zu den Bruͤdern hinab, die
Heu-Berge unten dufteten hinauf. Mancher
Stern half ſich heraus in die Daͤmmerung und
wurde eine Flug-Maſchine der Seele.
Vult vergabs dem Notar, daß er kaum zu
bleiben wuſte. Er hatte ſo viele Dinge, und
unter ihnen den Kraͤzer im Kopfe; denn in die¬
ſem entſezlichen Weine, wahrem Weinbergs-Un¬
kraut fuͤr Vult, hatte ſich der arme Teufel —
dem Wein ſo hoch klang wie Aether — immer
tiefer in ſeine Jahre zuruͤckgetrunken, ins 20te,
ins 18te und leztlich ins 15te.
Auf Reiſen trift man Leute an, die darauf
zuruͤckſchwimmen bis ins 1te Jahr, bis an
die Quelle. Vormittags predigen es die Aebte
in ihren Viſitazionspredigten: werdet wie die
Kinder! Und Abends werden ſie es ſammt dem
Kloſter und beide lallen kindlich.
„Warum ſiehſt du mich ſo an, geliebter
Vult?” ſagte Walt. — „Ich denke an die ver¬
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/184>, abgerufen am 18.02.2025. |