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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Bruders zu drücken, dessen voriges Freundschafts-
Kapitel ordentlich wie helles warmes angebor¬
nes Blut in sein Herz gelaufen war.

Walt schien davon entzückt zu sein, fragte
aber, ob nicht auch oft die Freundschaft nach
der Liebe und Ehe komme oft sogar für dieselbe
Person -- ob nicht der treueste Liebhaber eben
darum der treueste Freund sei -- ob nicht die
Liebe mehr romantische Poesie habe als die Freund¬
schaft -- ob jene am Ende nicht in die gegen
Kinder übergehe -- ob er nicht fast hart mit
seinen Bildern sei; -- und noch mehr wollte
Gottwalt lindern und schlichten. Aber Vult fuhr
auf sowohl aus voriger Rührung als aus Er¬
wartung eines viel weniger bedingten Lobes, hielt
sich die Ohren vor Rechtfertigungen der Menschen
zu und klagte: er sehe nun gar zu gut voraus,
wie ihm künftig Walt eine Erbossung nach der
andern versalzen werde durch sein Ueberzuckern;
beifügend, in ihrem "Hoppelpoppel oder das
Herz" gewännen ja eben die süssen Darstellun¬
gen am meisten durch die schärfsten, und gerade
hinter dem scharfen Fingernagel liege das weich¬

Bruders zu druͤcken, deſſen voriges Freundſchafts-
Kapitel ordentlich wie helles warmes angebor¬
nes Blut in ſein Herz gelaufen war.

Walt ſchien davon entzuͤckt zu ſein, fragte
aber, ob nicht auch oft die Freundſchaft nach
der Liebe und Ehe komme oft ſogar fuͤr dieſelbe
Perſon — ob nicht der treueſte Liebhaber eben
darum der treueſte Freund ſei — ob nicht die
Liebe mehr romantiſche Poeſie habe als die Freund¬
ſchaft — ob jene am Ende nicht in die gegen
Kinder uͤbergehe — ob er nicht faſt hart mit
ſeinen Bildern ſei; — und noch mehr wollte
Gottwalt lindern und ſchlichten. Aber Vult fuhr
auf ſowohl aus voriger Ruͤhrung als aus Er¬
wartung eines viel weniger bedingten Lobes, hielt
ſich die Ohren vor Rechtfertigungen der Menſchen
zu und klagte: er ſehe nun gar zu gut voraus,
wie ihm kuͤnftig Walt eine Erboſſung nach der
andern verſalzen werde durch ſein Ueberzuckern;
beifuͤgend, in ihrem „Hoppelpoppel oder das
Herz” gewaͤnnen ja eben die ſuͤſſen Darſtellun¬
gen am meiſten durch die ſchaͤrfſten, und gerade
hinter dem ſcharfen Fingernagel liege das weich¬

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[222/0232] Bruders zu druͤcken, deſſen voriges Freundſchafts- Kapitel ordentlich wie helles warmes angebor¬ nes Blut in ſein Herz gelaufen war. Walt ſchien davon entzuͤckt zu ſein, fragte aber, ob nicht auch oft die Freundſchaft nach der Liebe und Ehe komme oft ſogar fuͤr dieſelbe Perſon — ob nicht der treueſte Liebhaber eben darum der treueſte Freund ſei — ob nicht die Liebe mehr romantiſche Poeſie habe als die Freund¬ ſchaft — ob jene am Ende nicht in die gegen Kinder uͤbergehe — ob er nicht faſt hart mit ſeinen Bildern ſei; — und noch mehr wollte Gottwalt lindern und ſchlichten. Aber Vult fuhr auf ſowohl aus voriger Ruͤhrung als aus Er¬ wartung eines viel weniger bedingten Lobes, hielt ſich die Ohren vor Rechtfertigungen der Menſchen zu und klagte: er ſehe nun gar zu gut voraus, wie ihm kuͤnftig Walt eine Erboſſung nach der andern verſalzen werde durch ſein Ueberzuckern; beifuͤgend, in ihrem „Hoppelpoppel oder das Herz” gewaͤnnen ja eben die ſuͤſſen Darſtellun¬ gen am meiſten durch die ſchaͤrfſten, und gerade hinter dem ſcharfen Fingernagel liege das weich¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/232>, abgerufen am 24.11.2024.