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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Ansehnliche Glieder aus Collegien goßen da
gewöhnlich in die Dinte ihres Schreib-Tages ei¬
niges Abendbier, um die schwarze Farbe des Le¬
bens zu verdünnen. Da bei dem weichen Krebs¬
wirthe der alte Schultheis Harnisch seit 20 Jah¬
ren einkehrte: so war er im Stande, wenigstens
vom Vater ihnen zu erzählen, daß er jede Woche
Regierung und Kammer anlaufe mit leeren Fra¬
gen, und daß er jedesmal unter vielen Worten
die alten Historien von seinem schweren Amte,
seinen vielen juristischen Einsichten und Büchern,
und seiner "zweiherrigen" Wirthschaft und seinen
Zwillingssöhnen Abende lang vorsinge, ohne doch
je in seinem Leben mehr dabei zu verzehren als Ei¬
nen Hering und seinen Krug -- Es führe zwar,
fuhr der Wirth fort, der Schulz sehr starke hoch¬
trabende Worte, sei aber ein Hase, der seine Frau
schikte bei handfesten Vorfällen, oder er reiche ei¬
ne lange Schreiberei ein; hab' auch ein zu nobles
Naturell, und könne sich über eine krumme Mie¬
ne zu Tagen kränken, und habe noch unverdauete
Nasen, die er im Winter von der Regierung be¬
kommen, im Magen.

Anſehnliche Glieder aus Collegien goßen da
gewoͤhnlich in die Dinte ihres Schreib-Tages ei¬
niges Abendbier, um die ſchwarze Farbe des Le¬
bens zu verduͤnnen. Da bei dem weichen Krebs¬
wirthe der alte Schultheis Harniſch ſeit 20 Jah¬
ren einkehrte: ſo war er im Stande, wenigſtens
vom Vater ihnen zu erzaͤhlen, daß er jede Woche
Regierung und Kammer anlaufe mit leeren Fra¬
gen, und daß er jedesmal unter vielen Worten
die alten Hiſtorien von ſeinem ſchweren Amte,
ſeinen vielen juriſtiſchen Einſichten und Buͤchern,
und ſeiner „zweiherrigen“ Wirthſchaft und ſeinen
Zwillingsſoͤhnen Abende lang vorſinge, ohne doch
je in ſeinem Leben mehr dabei zu verzehren als Ei¬
nen Hering und ſeinen Krug — Es fuͤhre zwar,
fuhr der Wirth fort, der Schulz ſehr ſtarke hoch¬
trabende Worte, ſei aber ein Haſe, der ſeine Frau
ſchikte bei handfeſten Vorfaͤllen, oder er reiche ei¬
ne lange Schreiberei ein; hab' auch ein zu nobles
Naturell, und koͤnne ſich uͤber eine krumme Mie¬
ne zu Tagen kraͤnken, und habe noch unverdauete
Naſen, die er im Winter von der Regierung be¬
kommen, im Magen.

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[46/0056] Anſehnliche Glieder aus Collegien goßen da gewoͤhnlich in die Dinte ihres Schreib-Tages ei¬ niges Abendbier, um die ſchwarze Farbe des Le¬ bens zu verduͤnnen. Da bei dem weichen Krebs¬ wirthe der alte Schultheis Harniſch ſeit 20 Jah¬ ren einkehrte: ſo war er im Stande, wenigſtens vom Vater ihnen zu erzaͤhlen, daß er jede Woche Regierung und Kammer anlaufe mit leeren Fra¬ gen, und daß er jedesmal unter vielen Worten die alten Hiſtorien von ſeinem ſchweren Amte, ſeinen vielen juriſtiſchen Einſichten und Buͤchern, und ſeiner „zweiherrigen“ Wirthſchaft und ſeinen Zwillingsſoͤhnen Abende lang vorſinge, ohne doch je in ſeinem Leben mehr dabei zu verzehren als Ei¬ nen Hering und ſeinen Krug — Es fuͤhre zwar, fuhr der Wirth fort, der Schulz ſehr ſtarke hoch¬ trabende Worte, ſei aber ein Haſe, der ſeine Frau ſchikte bei handfeſten Vorfaͤllen, oder er reiche ei¬ ne lange Schreiberei ein; hab' auch ein zu nobles Naturell, und koͤnne ſich uͤber eine krumme Mie¬ ne zu Tagen kraͤnken, und habe noch unverdauete Naſen, die er im Winter von der Regierung be¬ kommen, im Magen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/56>, abgerufen am 21.11.2024.