daß er ewig blies auf einer Bazenflöte, und daß er sich im 14. Jahr bei der Kirms unten vor die spielende FlötenUhr des Schloßes hinstellte, um bei ihr als seiner ersten Lehrerin, wenn nicht Stun¬ den zu nehmen, doch Viertelstunden. -- Hier sollte Zeit seyn, das Axiom einzuschichten, daß überhaupt die Menschen mehr in Viertelstunden, als in Stunden gelernt. Kurz, an einem Tage, wo Lukas ihn in die Stadt und unter das Rekru¬ tenmaas geführet (Scheines und Ordnung hal¬ ber), lief er mit einem betrunkenen Musikus, der nur noch sein Instrument, aber nicht mehr sich und die Zunge regieren konnte, in die weite breite Welt hinein. Er blieb dann weg.
Izt mußte Gottwalt Peter daran, ans Jus. Aber er wollte auf keine Weise. Da er stets las, -- was das Volk beten heiset, wie Zizero re¬ ligio von relegere, oft lesen, ableitet -- so lief er dem Dorfe schon als Pfarrherrlein durch die Finger, ja ein Mezger aus Tyrol nannte ihn bald den Pfarbuben, bald den Pfarknecht *),
*) Jener bedeutet in Tyrol den Pfarrer, dieser den Diakonus.
daß er ewig blies auf einer Bazenfloͤte, und daß er ſich im 14. Jahr bei der Kirms unten vor die ſpielende FloͤtenUhr des Schloßes hinſtellte, um bei ihr als ſeiner erſten Lehrerin, wenn nicht Stun¬ den zu nehmen, doch Viertelſtunden. — Hier ſollte Zeit ſeyn, das Axiom einzuſchichten, daß uͤberhaupt die Menſchen mehr in Viertelſtunden, als in Stunden gelernt. Kurz, an einem Tage, wo Lukas ihn in die Stadt und unter das Rekru¬ tenmaas gefuͤhret (Scheines und Ordnung hal¬ ber), lief er mit einem betrunkenen Muſikus, der nur noch ſein Inſtrument, aber nicht mehr ſich und die Zunge regieren konnte, in die weite breite Welt hinein. Er blieb dann weg.
Izt mußte Gottwalt Peter daran, ans Jus. Aber er wollte auf keine Weiſe. Da er ſtets las, — was das Volk beten heiſet, wie Zizero re¬ ligio von relegere, oft leſen, ableitet — ſo lief er dem Dorfe ſchon als Pfarrherrlein durch die Finger, ja ein Mezger aus Tyrol nannte ihn bald den Pfarbuben, bald den Pfarknecht *),
*) Jener bedeutet in Tyrol den Pfarrer, dieſer den Diakonus.
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daß er ewig blies auf einer Bazenfloͤte, und daß
er ſich im 14. Jahr bei der Kirms unten vor die
ſpielende FloͤtenUhr des Schloßes hinſtellte, um
bei ihr als ſeiner erſten Lehrerin, wenn nicht Stun¬
den zu nehmen, doch Viertelſtunden. — Hier
ſollte Zeit ſeyn, das Axiom einzuſchichten, daß
uͤberhaupt die Menſchen mehr in Viertelſtunden,
als in Stunden gelernt. Kurz, an einem Tage,
wo Lukas ihn in die Stadt und unter das Rekru¬
tenmaas gefuͤhret (Scheines und Ordnung hal¬
ber), lief er mit einem betrunkenen Muſikus, der
nur noch ſein Inſtrument, aber nicht mehr ſich
und die Zunge regieren konnte, in die weite breite
Welt hinein. Er blieb dann weg.
Izt mußte Gottwalt Peter daran, ans Jus.
Aber er wollte auf keine Weiſe. Da er ſtets las,
— was das Volk beten heiſet, wie Zizero re¬
ligio von relegere, oft leſen, ableitet — ſo
lief er dem Dorfe ſchon als Pfarrherrlein durch
die Finger, ja ein Mezger aus Tyrol nannte ihn
bald den Pfarbuben, bald den Pfarknecht *),
*) Jener bedeutet in Tyrol den Pfarrer, dieſer den
Diakonus.
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/73>, abgerufen am 16.02.2025.
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