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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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eine Blume voll Thau -- so oft er durfte, streift'
er mit der Hand ein wenig an eine jede blutfrem¬
de vorbeigehende an, weil er nicht wissen könne,
dacht' er, ob er sie je wieder berühre -- ja er
wagt' es in schattigern Stellen der Nacht sogar,
zu Erkern und Balkons, wo deutlich die vor¬
nehmsten Mädchen standen, aufzusehen und sich
von der Gasse hinauf zu denken mitten darunter
mit einer an der Hand als Bräutigam, den sein
Himmel halb erstickt.

Endlich spannt' er vor dem Flötenspieler in
einer schicklichen Sackgasse das glänzende histori¬
sche Blatt von seinem innern Banquet und Freu¬
den Gewühle eines Nachmittages auf, der darin
bestand -- als Vult neugierig näher nachsah, --
daß er draussen hin und her gegangen, und den
Blaurock getroffen. "Man sollte geschworen ha¬
ben, versezte Vult, Sie kämen eben aus Glad¬
heim *) statt aus dem Rosenthale her, und hät¬
ten sich entweder die Freya oder die Sidfna, oder
die Gunnur, oder die Gierskogul, oder die Mißa,

*) Das FreudenThal in Walhalla.

eine Blume voll Thau — ſo oft er durfte, ſtreift'
er mit der Hand ein wenig an eine jede blutfrem¬
de vorbeigehende an, weil er nicht wiſſen koͤnne,
dacht' er, ob er ſie je wieder beruͤhre — ja er
wagt' es in ſchattigern Stellen der Nacht ſogar,
zu Erkern und Balkons, wo deutlich die vor¬
nehmſten Maͤdchen ſtanden, aufzuſehen und ſich
von der Gaſſe hinauf zu denken mitten darunter
mit einer an der Hand als Braͤutigam, den ſein
Himmel halb erſtickt.

Endlich ſpannt' er vor dem Floͤtenſpieler in
einer ſchicklichen Sackgaſſe das glaͤnzende hiſtori¬
ſche Blatt von ſeinem innern Banquet und Freu¬
den Gewuͤhle eines Nachmittages auf, der darin
beſtand — als Vult neugierig naͤher nachſah, —
daß er drauſſen hin und her gegangen, und den
Blaurock getroffen. „Man ſollte geſchworen ha¬
ben, verſezte Vult, Sie kaͤmen eben aus Glad¬
heim *) ſtatt aus dem Roſenthale her, und haͤt¬
ten ſich entweder die Freya oder die Sidfna, oder
die Gunnur, oder die Gierskogul, oder die Mißa,

*) Das FreudenThal in Walhalla.
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[2/0010] eine Blume voll Thau — ſo oft er durfte, ſtreift' er mit der Hand ein wenig an eine jede blutfrem¬ de vorbeigehende an, weil er nicht wiſſen koͤnne, dacht' er, ob er ſie je wieder beruͤhre — ja er wagt' es in ſchattigern Stellen der Nacht ſogar, zu Erkern und Balkons, wo deutlich die vor¬ nehmſten Maͤdchen ſtanden, aufzuſehen und ſich von der Gaſſe hinauf zu denken mitten darunter mit einer an der Hand als Braͤutigam, den ſein Himmel halb erſtickt. Endlich ſpannt' er vor dem Floͤtenſpieler in einer ſchicklichen Sackgaſſe das glaͤnzende hiſtori¬ ſche Blatt von ſeinem innern Banquet und Freu¬ den Gewuͤhle eines Nachmittages auf, der darin beſtand — als Vult neugierig naͤher nachſah, — daß er drauſſen hin und her gegangen, und den Blaurock getroffen. „Man ſollte geſchworen ha¬ ben, verſezte Vult, Sie kaͤmen eben aus Glad¬ heim *) ſtatt aus dem Roſenthale her, und haͤt¬ ten ſich entweder die Freya oder die Sidfna, oder die Gunnur, oder die Gierskogul, oder die Mißa, *) Das FreudenThal in Walhalla.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/10>, abgerufen am 29.04.2024.