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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Geliebter, Walts Freund, empfangen unter frem¬
den Hirtenliedern und ihr rund umher bis an
den Horizont die griechischen Haine, die Sen¬
nenhütten, die Villen zeigen und die Steige da¬
hin voll wacher und schlafender Blumen -- Er
nöthigte jezt Cherube von Tönen, die auf Flam¬
men flogen, Morgenröthe und Blüthenstaub-
Wolken zu bringen, und damit Wina's ersten
Kuß dämmernd einzuschleiern und dann weit da¬
von zu fliegen, um den stummen Himmel des
ersten Kusses nur leise auszusprechen.

Auf einmal als unter diesen harmonischen
Träumen der Bruder lang auf zwei hohen Tönen
schwebte und zitterte, die den Seufzer suchen und
saugen: so wünschte Gottwalt mitzitternd, am
Traum des fremden Glücks zu sterben. Da
empfieng der Bruder ein mißtöniges rauhes Lob;
aber Walten war bei seiner heftigen Bewegung
die äussere gar nicht zuwider.

Es war alles vorbei. Er strebte -- und
nicht ohne Glück -- am nächsten hinter Wina
zu gehen; nicht um etwa ihr Gewand zu bestrei¬
fen, sondern um sich in gewisser Ferne von ihr

Geliebter, Walts Freund, empfangen unter frem¬
den Hirtenliedern und ihr rund umher bis an
den Horizont die griechiſchen Haine, die Sen¬
nenhuͤtten, die Villen zeigen und die Steige da¬
hin voll wacher und ſchlafender Blumen — Er
noͤthigte jezt Cherube von Toͤnen, die auf Flam¬
men flogen, Morgenroͤthe und Bluͤthenſtaub-
Wolken zu bringen, und damit Wina's erſten
Kuß daͤmmernd einzuſchleiern und dann weit da¬
von zu fliegen, um den ſtummen Himmel des
erſten Kuſſes nur leiſe auszuſprechen.

Auf einmal als unter dieſen harmoniſchen
Traͤumen der Bruder lang auf zwei hohen Toͤnen
ſchwebte und zitterte, die den Seufzer ſuchen und
ſaugen: ſo wuͤnſchte Gottwalt mitzitternd, am
Traum des fremden Gluͤcks zu ſterben. Da
empfieng der Bruder ein mißtoͤniges rauhes Lob;
aber Walten war bei ſeiner heftigen Bewegung
die aͤuſſere gar nicht zuwider.

Es war alles vorbei. Er ſtrebte — und
nicht ohne Gluͤck — am naͤchſten hinter Wina
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[120/0128] Geliebter, Walts Freund, empfangen unter frem¬ den Hirtenliedern und ihr rund umher bis an den Horizont die griechiſchen Haine, die Sen¬ nenhuͤtten, die Villen zeigen und die Steige da¬ hin voll wacher und ſchlafender Blumen — Er noͤthigte jezt Cherube von Toͤnen, die auf Flam¬ men flogen, Morgenroͤthe und Bluͤthenſtaub- Wolken zu bringen, und damit Wina's erſten Kuß daͤmmernd einzuſchleiern und dann weit da¬ von zu fliegen, um den ſtummen Himmel des erſten Kuſſes nur leiſe auszuſprechen. Auf einmal als unter dieſen harmoniſchen Traͤumen der Bruder lang auf zwei hohen Toͤnen ſchwebte und zitterte, die den Seufzer ſuchen und ſaugen: ſo wuͤnſchte Gottwalt mitzitternd, am Traum des fremden Gluͤcks zu ſterben. Da empfieng der Bruder ein mißtoͤniges rauhes Lob; aber Walten war bei ſeiner heftigen Bewegung die aͤuſſere gar nicht zuwider. Es war alles vorbei. Er ſtrebte — und nicht ohne Gluͤck — am naͤchſten hinter Wina zu gehen; nicht um etwa ihr Gewand zu beſtrei¬ fen, ſondern um ſich in gewiſſer Ferne von ihr

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/128>, abgerufen am 24.11.2024.