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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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ken, zumal von seiner Himmelsluft berauscht,
nichts spürte als dessen Manier. "Ins Bette
lieber; -- wir stöhren vielleicht Klotharn, der
schon darin liegt, denn ich höre, morgen ver¬
reiset er auf einige Tage sehr frühe" -- berichtete
Vult, als woll' er ordentlich sich selber zur Pein,
aus Walts vollem Herzen recht viel Liebe vor¬
pressen.

"So ruhe sanft, Geliebter!" sagte Walt
und schied gern von der lieben Stelle und dann
vom verdrüßlichen Bruder. Voll Freude und
Friede zog der Notar nach Hause -- in die stil¬
len Gassen schaueten nur die hohen Sterne --
er sah im Marktwasser einer nach Norden ofnen
Strasse die Mitternachts-Nöthe abgespiegelt --
im Himmel zogen helle Wölkgen wie verspätet
aus dem Tage heim und trugen vielleicht oben
die Genien, die den Menschentag reich beschenket
hatten -- und Walt konnte, als er so glücklich
in sein einsames dämmerndes Stübgen zurück
kam, sich so wohl des Weinens als des Dankens
nicht enthalten.

Sehr früh bekam er am Morgen von Vulten

ken, zumal von ſeiner Himmelsluft berauſcht,
nichts ſpuͤrte als deſſen Manier. „Ins Bette
lieber; — wir ſtoͤhren vielleicht Klotharn, der
ſchon darin liegt, denn ich hoͤre, morgen ver¬
reiſet er auf einige Tage ſehr fruͤhe“ — berichtete
Vult, als woll' er ordentlich ſich ſelber zur Pein,
aus Walts vollem Herzen recht viel Liebe vor¬
preſſen.

„So ruhe ſanft, Geliebter!“ ſagte Walt
und ſchied gern von der lieben Stelle und dann
vom verdruͤßlichen Bruder. Voll Freude und
Friede zog der Notar nach Hauſe — in die ſtil¬
len Gaſſen ſchaueten nur die hohen Sterne —
er ſah im Marktwaſſer einer nach Norden ofnen
Straſſe die Mitternachts-Noͤthe abgeſpiegelt —
im Himmel zogen helle Woͤlkgen wie verſpaͤtet
aus dem Tage heim und trugen vielleicht oben
die Genien, die den Menſchentag reich beſchenket
hatten — und Walt konnte, als er ſo gluͤcklich
in ſein einſames daͤmmerndes Stuͤbgen zuruͤck
kam, ſich ſo wohl des Weinens als des Dankens
nicht enthalten.

Sehr fruͤh bekam er am Morgen von Vulten

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[8/0016] ken, zumal von ſeiner Himmelsluft berauſcht, nichts ſpuͤrte als deſſen Manier. „Ins Bette lieber; — wir ſtoͤhren vielleicht Klotharn, der ſchon darin liegt, denn ich hoͤre, morgen ver¬ reiſet er auf einige Tage ſehr fruͤhe“ — berichtete Vult, als woll' er ordentlich ſich ſelber zur Pein, aus Walts vollem Herzen recht viel Liebe vor¬ preſſen. „So ruhe ſanft, Geliebter!“ ſagte Walt und ſchied gern von der lieben Stelle und dann vom verdruͤßlichen Bruder. Voll Freude und Friede zog der Notar nach Hauſe — in die ſtil¬ len Gaſſen ſchaueten nur die hohen Sterne — er ſah im Marktwaſſer einer nach Norden ofnen Straſſe die Mitternachts-Noͤthe abgeſpiegelt — im Himmel zogen helle Woͤlkgen wie verſpaͤtet aus dem Tage heim und trugen vielleicht oben die Genien, die den Menſchentag reich beſchenket hatten — und Walt konnte, als er ſo gluͤcklich in ſein einſames daͤmmerndes Stuͤbgen zuruͤck kam, ſich ſo wohl des Weinens als des Dankens nicht enthalten. Sehr fruͤh bekam er am Morgen von Vulten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/16>, abgerufen am 29.04.2024.