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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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N. S. Man muß jezt meiner Augen wegen
mit ellenlangen Buchstaben an mich schreiben wie
diese da.


Lezteres that Walt in seiner Antwort gern,
aber der Blindheit gedacht' er nicht, aus Wahr¬
heitsliebe. Er versprach alles Verlangte und be¬
klagte leidend die Trennung einer so kurzen Ver¬
einigung; betheuerte aber, daß Vult jeden Schritt,
und jedes Glück bei dem Grafen mit ihm schrift¬
lich theilen solle --. Uebrigens erkannte Walt in
dieser Unsichtbarkeit den Bruder nur als einen
rechten Weltluchs, der sich auch gegen das klein¬
ste Wetter-Leuchten des Zufalls einbauet, das
den Menschen oft mitten in seiner besten Dun¬
kelheit vom Scheitel bis zur Sohle aufrecht
erhellet.

Das geheime Paquet hätte man dem Notar
eben so gut unversiegelt geben können, so sehr er¬
freute er sich, eine Gelegenheit der Treue gegen
andere und sich zu erleben.

Das versiegelte Blatt lautete so:

"Da es ungewis ist, ob du je diesen Brief

N. S. Man muß jezt meiner Augen wegen
mit ellenlangen Buchſtaben an mich ſchreiben wie
dieſe da.


Lezteres that Walt in ſeiner Antwort gern,
aber der Blindheit gedacht' er nicht, aus Wahr¬
heitsliebe. Er verſprach alles Verlangte und be¬
klagte leidend die Trennung einer ſo kurzen Ver¬
einigung; betheuerte aber, daß Vult jeden Schritt,
und jedes Gluͤck bei dem Grafen mit ihm ſchrift¬
lich theilen ſolle —. Uebrigens erkannte Walt in
dieſer Unſichtbarkeit den Bruder nur als einen
rechten Weltluchs, der ſich auch gegen das klein¬
ſte Wetter-Leuchten des Zufalls einbauet, das
den Menſchen oft mitten in ſeiner beſten Dun¬
kelheit vom Scheitel bis zur Sohle aufrecht
erhellet.

Das geheime Paquet haͤtte man dem Notar
eben ſo gut unverſiegelt geben koͤnnen, ſo ſehr er¬
freute er ſich, eine Gelegenheit der Treue gegen
andere und ſich zu erleben.

Das verſiegelte Blatt lautete ſo:

„Da es ungewis iſt, ob du je dieſen Brief

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[10/0018] N. S. Man muß jezt meiner Augen wegen mit ellenlangen Buchſtaben an mich ſchreiben wie dieſe da. Lezteres that Walt in ſeiner Antwort gern, aber der Blindheit gedacht' er nicht, aus Wahr¬ heitsliebe. Er verſprach alles Verlangte und be¬ klagte leidend die Trennung einer ſo kurzen Ver¬ einigung; betheuerte aber, daß Vult jeden Schritt, und jedes Gluͤck bei dem Grafen mit ihm ſchrift¬ lich theilen ſolle —. Uebrigens erkannte Walt in dieſer Unſichtbarkeit den Bruder nur als einen rechten Weltluchs, der ſich auch gegen das klein¬ ſte Wetter-Leuchten des Zufalls einbauet, das den Menſchen oft mitten in ſeiner beſten Dun¬ kelheit vom Scheitel bis zur Sohle aufrecht erhellet. Das geheime Paquet haͤtte man dem Notar eben ſo gut unverſiegelt geben koͤnnen, ſo ſehr er¬ freute er ſich, eine Gelegenheit der Treue gegen andere und ſich zu erleben. Das verſiegelte Blatt lautete ſo: „Da es ungewis iſt, ob du je dieſen Brief

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/18>, abgerufen am 29.04.2024.