ich nicht zusammen führe, wenn man mich plöz¬ lich anredete. Ganz nahe an mir unter den heitersten Tönen floß ihr Auge heftig über aus Mitleid, und sie konnt' es nicht eilig genug lich¬ ten, weil sie mich anschauen wollte. Warlich ein gutes Geschöpf, und ich wollt', es wäre kei¬ ne Braut oder eine Frau! -- Wie ein Rosen¬ beet blühten, zumal vor der Abendsonne, alle ihre wohlwollenden Gefühle auf dem kindlichen Gesicht; und bedenk' ich die zarten schwarzen Bogen der schönsten schwarzen Augen, so hatt' ich Augenlust und Augenbraunenlust zugleich und genug. Aber wie kann ein Mann zu einer Schön¬ heit sagen: heirathe mich meines Orts, da ja durch die Ehe, wie durch Eva, das ganze Pa¬ radies mit allen 4 Flüssen verloren geht, ausge¬ nommen den Paradiesvogel daraus, der schla¬ fend fliegt. Eine schöne Stimme aber zu eheli¬ chen durch Ehepakten -- das ist Vernunft; aus¬ serdem, daß sie, wie die Singvögel, immer wie¬ der zurückkehrt, -- das Gesicht aber nicht, -- so hat sie den Vorzug vor diesem, daß sie nicht den ganzen Tag da steht, sondern manchmal. --
ich nicht zuſammen fuͤhre, wenn man mich ploͤz¬ lich anredete. Ganz nahe an mir unter den heiterſten Toͤnen floß ihr Auge heftig uͤber aus Mitleid, und ſie konnt' es nicht eilig genug lich¬ ten, weil ſie mich anſchauen wollte. Warlich ein gutes Geſchoͤpf, und ich wollt', es waͤre kei¬ ne Braut oder eine Frau! — Wie ein Roſen¬ beet bluͤhten, zumal vor der Abendſonne, alle ihre wohlwollenden Gefuͤhle auf dem kindlichen Geſicht; und bedenk' ich die zarten ſchwarzen Bogen der ſchoͤnſten ſchwarzen Augen, ſo hatt' ich Augenluſt und Augenbraunenluſt zugleich und genug. Aber wie kann ein Mann zu einer Schoͤn¬ heit ſagen: heirathe mich meines Orts, da ja durch die Ehe, wie durch Eva, das ganze Pa¬ radies mit allen 4 Fluͤſſen verloren geht, ausge¬ nommen den Paradiesvogel daraus, der ſchla¬ fend fliegt. Eine ſchoͤne Stimme aber zu eheli¬ chen durch Ehepakten — das iſt Vernunft; auſ¬ ſerdem, daß ſie, wie die Singvoͤgel, immer wie¬ der zuruͤckkehrt, — das Geſicht aber nicht, — ſo hat ſie den Vorzug vor dieſem, daß ſie nicht den ganzen Tag da ſteht, ſondern manchmal. —
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ich nicht zuſammen fuͤhre, wenn man mich ploͤz¬
lich anredete. Ganz nahe an mir unter den
heiterſten Toͤnen floß ihr Auge heftig uͤber aus
Mitleid, und ſie konnt' es nicht eilig genug lich¬
ten, weil ſie mich anſchauen wollte. Warlich
ein gutes Geſchoͤpf, und ich wollt', es waͤre kei¬
ne Braut oder eine Frau! — Wie ein Roſen¬
beet bluͤhten, zumal vor der Abendſonne, alle
ihre wohlwollenden Gefuͤhle auf dem kindlichen
Geſicht; und bedenk' ich die zarten ſchwarzen
Bogen der ſchoͤnſten ſchwarzen Augen, ſo hatt'
ich Augenluſt und Augenbraunenluſt zugleich und
genug. Aber wie kann ein Mann zu einer Schoͤn¬
heit ſagen: heirathe mich meines Orts, da ja
durch die Ehe, wie durch Eva, das ganze Pa¬
radies mit allen 4 Fluͤſſen verloren geht, ausge¬
nommen den Paradiesvogel daraus, der ſchla¬
fend fliegt. Eine ſchoͤne Stimme aber zu eheli¬
chen durch Ehepakten — das iſt Vernunft; auſ¬
ſerdem, daß ſie, wie die Singvoͤgel, immer wie¬
der zuruͤckkehrt, — das Geſicht aber nicht, —
ſo hat ſie den Vorzug vor dieſem, daß ſie nicht
den ganzen Tag da ſteht, ſondern manchmal. —
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/180>, abgerufen am 16.02.2025.
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