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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Thüren, ohne Schaden. Die ältesten Weiber
stehen ohne Frost am offnen Fenster und nähen.
Ueberall liegen Blumen, neben dem Dintenfaß,
auf den Akten, auf den Sessions- und Ladenti¬
schen. Die Kinder lärmen sehr und man hört
das Rollen der Kegelbahnen. Die halbe Nacht
geht man in den Gassen auf und ab und spricht
laut, und sieht die Sterne am hohen Himmel
schießen. Selber die Fürstin geht noch Abends
vor dem Essen im Park spazieren. Die fremden
Virtuosen, die gegen Mitternacht nach Hause
gehen, geigen noch auf der Gasse fort bis in ihr
Quartier und die Nachbarschaft fährt an die
Fenster. Die Extraposten kommen später und
die Pferde wiehern. Man liegt im Lärm am
Fenster und schläft ein, man erwacht von Post¬
hörnern, und der ganze gestirnte Himmel hat sich
aufgethan. O Gott, welches Freuden-Leben
auf dieser kleinen Erde! Und doch ist das erst
Deutschland! Denck' ich vollends an Welsch¬
land! -- Goldine, dabei hab' ich noch die trös¬
tende Aussicht, daß ich diesen Erntetanz der
Zeit, den ich Ihnen hier in matter Prosa ge¬

Thuͤren, ohne Schaden. Die aͤlteſten Weiber
ſtehen ohne Froſt am offnen Fenſter und naͤhen.
Ueberall liegen Blumen, neben dem Dintenfaß,
auf den Akten, auf den Seſſions- und Ladenti¬
ſchen. Die Kinder laͤrmen ſehr und man hoͤrt
das Rollen der Kegelbahnen. Die halbe Nacht
geht man in den Gaſſen auf und ab und ſpricht
laut, und ſieht die Sterne am hohen Himmel
ſchießen. Selber die Fuͤrſtin geht noch Abends
vor dem Eſſen im Park ſpazieren. Die fremden
Virtuoſen, die gegen Mitternacht nach Hauſe
gehen, geigen noch auf der Gaſſe fort bis in ihr
Quartier und die Nachbarſchaft faͤhrt an die
Fenſter. Die Extrapoſten kommen ſpaͤter und
die Pferde wiehern. Man liegt im Laͤrm am
Fenſter und ſchlaͤft ein, man erwacht von Poſt¬
hoͤrnern, und der ganze geſtirnte Himmel hat ſich
aufgethan. O Gott, welches Freuden-Leben
auf dieſer kleinen Erde! Und doch iſt das erſt
Deutſchland! Denck' ich vollends an Welſch¬
land! — Goldine, dabei hab' ich noch die troͤſ¬
tende Ausſicht, daß ich dieſen Erntetanz der
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[24/0032] Thuͤren, ohne Schaden. Die aͤlteſten Weiber ſtehen ohne Froſt am offnen Fenſter und naͤhen. Ueberall liegen Blumen, neben dem Dintenfaß, auf den Akten, auf den Seſſions- und Ladenti¬ ſchen. Die Kinder laͤrmen ſehr und man hoͤrt das Rollen der Kegelbahnen. Die halbe Nacht geht man in den Gaſſen auf und ab und ſpricht laut, und ſieht die Sterne am hohen Himmel ſchießen. Selber die Fuͤrſtin geht noch Abends vor dem Eſſen im Park ſpazieren. Die fremden Virtuoſen, die gegen Mitternacht nach Hauſe gehen, geigen noch auf der Gaſſe fort bis in ihr Quartier und die Nachbarſchaft faͤhrt an die Fenſter. Die Extrapoſten kommen ſpaͤter und die Pferde wiehern. Man liegt im Laͤrm am Fenſter und ſchlaͤft ein, man erwacht von Poſt¬ hoͤrnern, und der ganze geſtirnte Himmel hat ſich aufgethan. O Gott, welches Freuden-Leben auf dieſer kleinen Erde! Und doch iſt das erſt Deutſchland! Denck' ich vollends an Welſch¬ land! — Goldine, dabei hab' ich noch die troͤſ¬ tende Ausſicht, daß ich dieſen Erntetanz der Zeit, den ich Ihnen hier in matter Proſa ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/32>, abgerufen am 21.11.2024.