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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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ger Vorspielen -- denn nie spielt der Mensch lieber
als nach dem Stimmen --; aber der hinkende Notar
sezt' ihm die Testaments-Klausel entgegen. Die
Stükjunkerin machte selber einige prüfende Grif¬
fe -- der Schoos-Hund sprang empor und gieng
mit vier dergleichen über die Tastatur und ver¬
stimmte ein wenig. Walt wollte nachhelfen; aber
der hinkende Notar trieb ihn mit der Klausel von
dannen. Er gieng ungern. Sie war eine blon¬
de Wittwe von 30 Jahren, also um 5 oder 7
Jahre jünger als eine Jungfrau von 30. Es
freuete ihn, daß die Saite doch einmal der her¬
rufende Klingeldrath der Schönheit geworden;
"aber Himmel, dacht' er, ein Stimmen kann ich
ja im Doppelroman zur Einkleidung aller Zufälle
gebrauchen!" --

Er muste zum Polizeiinspektor Harprecht,
der, wie sein Protokollist sagte, mit einer Heerde
Töchter geschoren sei. Harprecht empfieng ihn sehr
verbindlich, stäubte ein altes Hakbret eilig weiter
ab und schob ihm dasselbe freundlich zum Stimmen
vor. Töchter waren nicht zu sehen. Walt stuzte
und sagte mit langer sanfter Höflichkeit Nein; er sezte
auseinander, daß er, da in der 6 Klausel nur von Kla¬

ger Vorſpielen — denn nie ſpielt der Menſch lieber
als nach dem Stimmen —; aber der hinkende Notar
ſezt' ihm die Teſtaments-Klauſel entgegen. Die
Stuͤkjunkerin machte ſelber einige pruͤfende Grif¬
fe — der Schoos-Hund ſprang empor und gieng
mit vier dergleichen uͤber die Taſtatur und ver¬
ſtimmte ein wenig. Walt wollte nachhelfen; aber
der hinkende Notar trieb ihn mit der Klauſel von
dannen. Er gieng ungern. Sie war eine blon¬
de Wittwe von 30 Jahren, alſo um 5 oder 7
Jahre juͤnger als eine Jungfrau von 30. Es
freuete ihn, daß die Saite doch einmal der her¬
rufende Klingeldrath der Schoͤnheit geworden;
„aber Himmel, dacht' er, ein Stimmen kann ich
ja im Doppelroman zur Einkleidung aller Zufaͤlle
gebrauchen!“ —

Er muſte zum Polizeiinſpektor Harprecht,
der, wie ſein Protokolliſt ſagte, mit einer Heerde
Toͤchter geſchoren ſei. Harprecht empfieng ihn ſehr
verbindlich, ſtaͤubte ein altes Hakbret eilig weiter
ab und ſchob ihm daſſelbe freundlich zum Stimmen
vor. Toͤchter waren nicht zu ſehen. Walt ſtuzte
und ſagte mit langer ſanfter Hoͤflichkeit Nein; er ſezte
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[46/0054] ger Vorſpielen — denn nie ſpielt der Menſch lieber als nach dem Stimmen —; aber der hinkende Notar ſezt' ihm die Teſtaments-Klauſel entgegen. Die Stuͤkjunkerin machte ſelber einige pruͤfende Grif¬ fe — der Schoos-Hund ſprang empor und gieng mit vier dergleichen uͤber die Taſtatur und ver¬ ſtimmte ein wenig. Walt wollte nachhelfen; aber der hinkende Notar trieb ihn mit der Klauſel von dannen. Er gieng ungern. Sie war eine blon¬ de Wittwe von 30 Jahren, alſo um 5 oder 7 Jahre juͤnger als eine Jungfrau von 30. Es freuete ihn, daß die Saite doch einmal der her¬ rufende Klingeldrath der Schoͤnheit geworden; „aber Himmel, dacht' er, ein Stimmen kann ich ja im Doppelroman zur Einkleidung aller Zufaͤlle gebrauchen!“ — Er muſte zum Polizeiinſpektor Harprecht, der, wie ſein Protokolliſt ſagte, mit einer Heerde Toͤchter geſchoren ſei. Harprecht empfieng ihn ſehr verbindlich, ſtaͤubte ein altes Hakbret eilig weiter ab und ſchob ihm daſſelbe freundlich zum Stimmen vor. Toͤchter waren nicht zu ſehen. Walt ſtuzte und ſagte mit langer ſanfter Hoͤflichkeit Nein; er ſezte auseinander, daß er, da in der 6 Klauſel nur von Kla¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/54>, abgerufen am 21.11.2024.