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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Seiden-Stühle hatten höflich vor jedem Steis
die Kappen abgenommen, und auf den getäfel¬
ten Fußboden war die Leinwand ganz von den
Papiertapeten weggezogen, welche die ostindische
Decke so zudeckten, daß diese sowohl sich als den
getäfelten Fußboden an einigen Winkeln leicht
zeigten. Den Sallon selber hatte der Kaufmann,
weil lebendige Sachen zulezt jeden krönen, mit
Gästen-Gefülsel ordentlich wie ein hohes Pas¬
teten-Gewölb saturiert, namentlich mit Aigret¬
ten, -- Chemisen -- Schmink-Backen -- Roth¬
nasen -- feinsten Tuchröcken -- spanischen Röh¬
ren -- Patentwaaren und französischen Uhren,
so daß vom Kirchenrath Glanz an bis zu netten
Reisedienern und ernsten Buchhaltern sich alles
mischen muste. Der große Kaufmann sucht wei¬
ter in keine höchste Klasse zu kommen als in die
der Gläubiger, wenn seine hohen Schuldner fal¬
liren. Er als kalter stiller Justirer des Ver¬
dienstes, schäzt gleich sehr den niedrigsten Bür¬
ger, wenn er Geld hat, und den höchsten Adel,
wenn dessen altes Blut in silbernen und goldnen
Adern läuft und dessen Stammbaum Nahrungs¬

Seiden-Stuͤhle hatten hoͤflich vor jedem Steis
die Kappen abgenommen, und auf den getaͤfel¬
ten Fußboden war die Leinwand ganz von den
Papiertapeten weggezogen, welche die oſtindiſche
Decke ſo zudeckten, daß dieſe ſowohl ſich als den
getaͤfelten Fußboden an einigen Winkeln leicht
zeigten. Den Sallon ſelber hatte der Kaufmann,
weil lebendige Sachen zulezt jeden kroͤnen, mit
Gaͤſten-Gefuͤlſel ordentlich wie ein hohes Paſ¬
teten-Gewoͤlb ſaturiert, namentlich mit Aigret¬
ten, — Chemiſen — Schmink-Backen — Roth¬
naſen — feinſten Tuchroͤcken — ſpaniſchen Roͤh¬
ren — Patentwaaren und franzoͤſiſchen Uhren,
ſo daß vom Kirchenrath Glanz an bis zu netten
Reiſedienern und ernſten Buchhaltern ſich alles
miſchen muſte. Der große Kaufmann ſucht wei¬
ter in keine hoͤchſte Klaſſe zu kommen als in die
der Glaͤubiger, wenn ſeine hohen Schuldner fal¬
liren. Er als kalter ſtiller Juſtirer des Ver¬
dienſtes, ſchaͤzt gleich ſehr den niedrigſten Buͤr¬
ger, wenn er Geld hat, und den hoͤchſten Adel,
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[63/0071] Seiden-Stuͤhle hatten hoͤflich vor jedem Steis die Kappen abgenommen, und auf den getaͤfel¬ ten Fußboden war die Leinwand ganz von den Papiertapeten weggezogen, welche die oſtindiſche Decke ſo zudeckten, daß dieſe ſowohl ſich als den getaͤfelten Fußboden an einigen Winkeln leicht zeigten. Den Sallon ſelber hatte der Kaufmann, weil lebendige Sachen zulezt jeden kroͤnen, mit Gaͤſten-Gefuͤlſel ordentlich wie ein hohes Paſ¬ teten-Gewoͤlb ſaturiert, namentlich mit Aigret¬ ten, — Chemiſen — Schmink-Backen — Roth¬ naſen — feinſten Tuchroͤcken — ſpaniſchen Roͤh¬ ren — Patentwaaren und franzoͤſiſchen Uhren, ſo daß vom Kirchenrath Glanz an bis zu netten Reiſedienern und ernſten Buchhaltern ſich alles miſchen muſte. Der große Kaufmann ſucht wei¬ ter in keine hoͤchſte Klaſſe zu kommen als in die der Glaͤubiger, wenn ſeine hohen Schuldner fal¬ liren. Er als kalter ſtiller Juſtirer des Ver¬ dienſtes, ſchaͤzt gleich ſehr den niedrigſten Buͤr¬ ger, wenn er Geld hat, und den hoͤchſten Adel, wenn deſſen altes Blut in ſilbernen und goldnen Adern laͤuft und deſſen Stammbaum Nahrungs¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/71>, abgerufen am 16.05.2024.