Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

innigst, weil er als der Agioteur von dessen
Renten am besten wuste, wie viel er war, beson¬
ders ihm selber; und er behauptete oft, einem
Manne von so vielen jährlichen Einkünften solle
doch jede vernünftige Seele es zu gute halten,
wenn er seine eignen Meinungen habe oder lese
was er wolle.

Plözlich kam Musik -- mit ihr die Sup¬
penterrine mit gedruckten Geburtsfestliedern --
dann die beiden Töchter mit einer langen Blu¬
men-Guirlande, die sie Neupeter so geschickt
über den Körper wanden, daß er in einem blü¬
henden Ordensband da stand -- die Komtoristen
liefen und theilten die Gedichte aus -- und zu¬
erst ihrem Prinzipal ein vergoldetes -- Nun
fieng andere Instrumentalmusik an, um das
Karmen, oder vielmehr den Gesang desselben zu
begleiten -- die Gesellschaft mit ihren Papieren
in den Händen stimmte ihn an als ein längeres
Tischgebet -- und selber Neupeter sah singend in
sein Blatt. Vult hätte nicht unter die gehört,
die dabei am ernsthaftesten geblieben waren, zu¬
mal als der blumige Ordens-Mann sich selber

innigſt, weil er als der Agioteur von deſſen
Renten am beſten wuſte, wie viel er war, beſon¬
ders ihm ſelber; und er behauptete oft, einem
Manne von ſo vielen jaͤhrlichen Einkuͤnften ſolle
doch jede vernuͤnftige Seele es zu gute halten,
wenn er ſeine eignen Meinungen habe oder leſe
was er wolle.

Ploͤzlich kam Muſik — mit ihr die Sup¬
penterrine mit gedruckten Geburtsfeſtliedern —
dann die beiden Toͤchter mit einer langen Blu¬
men-Guirlande, die ſie Neupeter ſo geſchickt
uͤber den Koͤrper wanden, daß er in einem bluͤ¬
henden Ordensband da ſtand — die Komtoriſten
liefen und theilten die Gedichte aus — und zu¬
erſt ihrem Prinzipal ein vergoldetes — Nun
fieng andere Inſtrumentalmuſik an, um das
Karmen, oder vielmehr den Geſang deſſelben zu
begleiten — die Geſellſchaft mit ihren Papieren
in den Haͤnden ſtimmte ihn an als ein laͤngeres
Tiſchgebet — und ſelber Neupeter ſah ſingend in
ſein Blatt. Vult haͤtte nicht unter die gehoͤrt,
die dabei am ernſthafteſten geblieben waren, zu¬
mal als der blumige Ordens-Mann ſich ſelber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="65"/>
innig&#x017F;t, weil er als der Agioteur von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Renten am be&#x017F;ten wu&#x017F;te, wie viel er war, be&#x017F;on¬<lb/>
ders ihm &#x017F;elber; und er behauptete oft, einem<lb/>
Manne von &#x017F;o vielen ja&#x0364;hrlichen Einku&#x0364;nften &#x017F;olle<lb/>
doch jede vernu&#x0364;nftige Seele es zu gute halten,<lb/>
wenn er &#x017F;eine eignen Meinungen habe oder le&#x017F;e<lb/>
was er wolle.</p><lb/>
        <p>Plo&#x0364;zlich kam Mu&#x017F;ik &#x2014; mit ihr die Sup¬<lb/>
penterrine mit gedruckten Geburtsfe&#x017F;tliedern &#x2014;<lb/>
dann die beiden To&#x0364;chter mit einer langen Blu¬<lb/>
men-Guirlande, die &#x017F;ie Neupeter &#x017F;o ge&#x017F;chickt<lb/>
u&#x0364;ber den Ko&#x0364;rper wanden, daß er in einem blu&#x0364;¬<lb/>
henden Ordensband da &#x017F;tand &#x2014; die Komtori&#x017F;ten<lb/>
liefen und theilten die Gedichte aus &#x2014; und zu¬<lb/>
er&#x017F;t ihrem Prinzipal ein vergoldetes &#x2014; Nun<lb/>
fieng andere In&#x017F;trumentalmu&#x017F;ik an, um das<lb/>
Karmen, oder vielmehr den Ge&#x017F;ang de&#x017F;&#x017F;elben zu<lb/>
begleiten &#x2014; die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit ihren Papieren<lb/>
in den Ha&#x0364;nden &#x017F;timmte ihn an als ein la&#x0364;ngeres<lb/>
Ti&#x017F;chgebet &#x2014; und &#x017F;elber Neupeter &#x017F;ah &#x017F;ingend in<lb/>
&#x017F;ein Blatt. Vult ha&#x0364;tte nicht unter die geho&#x0364;rt,<lb/>
die dabei am ern&#x017F;thafte&#x017F;ten geblieben waren, zu¬<lb/>
mal als der blumige Ordens-Mann &#x017F;ich &#x017F;elber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0073] innigſt, weil er als der Agioteur von deſſen Renten am beſten wuſte, wie viel er war, beſon¬ ders ihm ſelber; und er behauptete oft, einem Manne von ſo vielen jaͤhrlichen Einkuͤnften ſolle doch jede vernuͤnftige Seele es zu gute halten, wenn er ſeine eignen Meinungen habe oder leſe was er wolle. Ploͤzlich kam Muſik — mit ihr die Sup¬ penterrine mit gedruckten Geburtsfeſtliedern — dann die beiden Toͤchter mit einer langen Blu¬ men-Guirlande, die ſie Neupeter ſo geſchickt uͤber den Koͤrper wanden, daß er in einem bluͤ¬ henden Ordensband da ſtand — die Komtoriſten liefen und theilten die Gedichte aus — und zu¬ erſt ihrem Prinzipal ein vergoldetes — Nun fieng andere Inſtrumentalmuſik an, um das Karmen, oder vielmehr den Geſang deſſelben zu begleiten — die Geſellſchaft mit ihren Papieren in den Haͤnden ſtimmte ihn an als ein laͤngeres Tiſchgebet — und ſelber Neupeter ſah ſingend in ſein Blatt. Vult haͤtte nicht unter die gehoͤrt, die dabei am ernſthafteſten geblieben waren, zu¬ mal als der blumige Ordens-Mann ſich ſelber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/73
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/73>, abgerufen am 16.05.2024.