Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.ansang; aber wohl Gottwalt war dazu gemacht. anſang; aber wohl Gottwalt war dazu gemacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="66"/> anſang; aber wohl Gottwalt war dazu gemacht.<lb/> Ein Menſch, ſo bald er an ſeine Geburt denkt,<lb/> iſt ſo wenig laͤcherlich als es ein Todter ſein kann;<lb/> da wir, wie ſineſiſche Bilder, zwiſchen zwei<lb/> langen Schatten oder langen Schlummern lau¬<lb/> fen, ſo iſt der Unterſchied nicht groß, an wel¬<lb/> chen Schatten man denke. Walt quaͤlte ſich mit<lb/> leiſem Singen bei ſchlechter Stimme; und als<lb/> es vorbei und der Alte ſehr geruͤhrt war, uͤber<lb/> das fremde Gedaͤchtnis fuͤr ſein Wiegenfeſt bei<lb/> eigner Vergeßlichkeit und die Seinigen ihm fruͤ¬<lb/> her gratulirten als die Fremden: ſo war kein<lb/> Gluͤckwunſch ſo aufrichtig in irgend einem Her¬<lb/> zen als Gottwalts ferner und ſtiller; aber es be¬<lb/> klemmte ihn, daß der Menſch — „beſonders,<lb/> ſeh' ich, an Hoͤfen” dacht' er — gerade den hei¬<lb/> ligen Tag, wo er ſein erneuertes Leben uͤberrech¬<lb/> nen und ebnen ſollte, im Ranſchen fremder Wel¬<lb/> len verhoͤrt — daß er das neue Daſein mit der<lb/> laͤrmenden Wiederholung des alten feiert, anſtatt<lb/> mit neuen Entſchluͤſſen — daß er ſtatt der ein¬<lb/> ſamen Ruͤhrung mit den Seinigen, deren Wie¬<lb/> gen oder Graͤber ſeinen ja am naͤchſten ſtehen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0074]
anſang; aber wohl Gottwalt war dazu gemacht.
Ein Menſch, ſo bald er an ſeine Geburt denkt,
iſt ſo wenig laͤcherlich als es ein Todter ſein kann;
da wir, wie ſineſiſche Bilder, zwiſchen zwei
langen Schatten oder langen Schlummern lau¬
fen, ſo iſt der Unterſchied nicht groß, an wel¬
chen Schatten man denke. Walt quaͤlte ſich mit
leiſem Singen bei ſchlechter Stimme; und als
es vorbei und der Alte ſehr geruͤhrt war, uͤber
das fremde Gedaͤchtnis fuͤr ſein Wiegenfeſt bei
eigner Vergeßlichkeit und die Seinigen ihm fruͤ¬
her gratulirten als die Fremden: ſo war kein
Gluͤckwunſch ſo aufrichtig in irgend einem Her¬
zen als Gottwalts ferner und ſtiller; aber es be¬
klemmte ihn, daß der Menſch — „beſonders,
ſeh' ich, an Hoͤfen” dacht' er — gerade den hei¬
ligen Tag, wo er ſein erneuertes Leben uͤberrech¬
nen und ebnen ſollte, im Ranſchen fremder Wel¬
len verhoͤrt — daß er das neue Daſein mit der
laͤrmenden Wiederholung des alten feiert, anſtatt
mit neuen Entſchluͤſſen — daß er ſtatt der ein¬
ſamen Ruͤhrung mit den Seinigen, deren Wie¬
gen oder Graͤber ſeinen ja am naͤchſten ſtehen,
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