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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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den undankbaren Prunk und trockne Augen sucht.
Der Notar sezte sich vor, seinen ersten Geburts¬
tag, an den ihn ein guter Mensch erinnerte --
denn noch hatt' er in seiner harten Armuth keinen
einzigen erlebt -- ganz anders zu begehen, näm¬
lich sehr weich, still und fromm. -- --

Man sezte sich zu Tisch. Walt wurde ne¬
ben den zweiten armen Teufel -- Flitten -- als
der erste postirt und rechts neben den jüngsten
Buchhalter. Ihm verschlugs wenig; ihm gegen¬
über saß der Graf. Rund wie Geld, das wie
der Tod alles gleich macht, war die Tafel,
gleichsam ein größerer Kompagnie-Teller. Der
Notar, ganz geblendet von der Neuheit des Ge¬
schirres und dessen Inhalts streckte statt seiner
sonstigen zwei linken Hände zwei rechte aus
und suchte mit wahrem Anstand zu essen und
den Ehren-Säbel des Messers zu führen; bele¬
sen genug, um mit der Breite des Löffels zu es¬
sen, nicht mit der Spize, erhielt er sich blos bei
bedencklichen Vorfällen durch die alte Vorsicht im
Sattel, nicht eher anzuspießen, bis ihm andere
das Speisen vorgemacht; wiewohl er sie bei den

den undankbaren Prunk und trockne Augen ſucht.
Der Notar ſezte ſich vor, ſeinen erſten Geburts¬
tag, an den ihn ein guter Menſch erinnerte —
denn noch hatt' er in ſeiner harten Armuth keinen
einzigen erlebt — ganz anders zu begehen, naͤm¬
lich ſehr weich, ſtill und fromm. — —

Man ſezte ſich zu Tiſch. Walt wurde ne¬
ben den zweiten armen Teufel — Flitten — als
der erſte poſtirt und rechts neben den juͤngſten
Buchhalter. Ihm verſchlugs wenig; ihm gegen¬
uͤber ſaß der Graf. Rund wie Geld, das wie
der Tod alles gleich macht, war die Tafel,
gleichſam ein groͤßerer Kompagnie-Teller. Der
Notar, ganz geblendet von der Neuheit des Ge¬
ſchirres und deſſen Inhalts ſtreckte ſtatt ſeiner
ſonſtigen zwei linken Haͤnde zwei rechte aus
und ſuchte mit wahrem Anſtand zu eſſen und
den Ehren-Saͤbel des Meſſers zu fuͤhren; bele¬
ſen genug, um mit der Breite des Loͤffels zu eſ¬
ſen, nicht mit der Spize, erhielt er ſich blos bei
bedencklichen Vorfaͤllen durch die alte Vorſicht im
Sattel, nicht eher anzuſpießen, bis ihm andere
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[67/0075] den undankbaren Prunk und trockne Augen ſucht. Der Notar ſezte ſich vor, ſeinen erſten Geburts¬ tag, an den ihn ein guter Menſch erinnerte — denn noch hatt' er in ſeiner harten Armuth keinen einzigen erlebt — ganz anders zu begehen, naͤm¬ lich ſehr weich, ſtill und fromm. — — Man ſezte ſich zu Tiſch. Walt wurde ne¬ ben den zweiten armen Teufel — Flitten — als der erſte poſtirt und rechts neben den juͤngſten Buchhalter. Ihm verſchlugs wenig; ihm gegen¬ uͤber ſaß der Graf. Rund wie Geld, das wie der Tod alles gleich macht, war die Tafel, gleichſam ein groͤßerer Kompagnie-Teller. Der Notar, ganz geblendet von der Neuheit des Ge¬ ſchirres und deſſen Inhalts ſtreckte ſtatt ſeiner ſonſtigen zwei linken Haͤnde zwei rechte aus und ſuchte mit wahrem Anſtand zu eſſen und den Ehren-Saͤbel des Meſſers zu fuͤhren; bele¬ ſen genug, um mit der Breite des Loͤffels zu eſ¬ ſen, nicht mit der Spize, erhielt er ſich blos bei bedencklichen Vorfaͤllen durch die alte Vorſicht im Sattel, nicht eher anzuſpießen, bis ihm andere das Speiſen vorgemacht; wiewohl er ſie bei den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/75>, abgerufen am 16.05.2024.