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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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über Augen, Ohren und Mund zugleich --
aber ihre Schwungfedern sind länger und weisser,
als irgend einer andern Liebe.

Vor Neupeters Hause unten sah er lang
zu seinem Fenster auf, seine Zelle kam ihm or¬
dentlich fremd vor und er sich, und es war ihm,
als müsse der Notar jede Minute oben heraus
gucken auf ihn herunter. Plözlich fieng am Fen¬
ster eine Flöte an; er fuhr sehr kurz zusammen,
da sein lieber Bruder ihn droben erwartete. Er
brachte ihm das Feuer zu, in welches Wina ihr
mildes Oel gegossen. Vult war ganz liebreich
und freundlich; denn er hatte unterdessen im
Doppel-Roman das neue Stück Gartenland be¬
sehen und umschritten, das Walt bisher daran
fertig gemacht und gemauert, -- und hatte da
gefunden, daß die grünen Hängbrücken, die
vom Herkules-Tempel der Freundschaft weg¬
führten, sehr schön gut gebogen und angestri¬
chen, die Moos- und Rinden-Einsiedelei der
ersten Liebe aber, die sich selber noch für ein¬
sam und einherzig hält, vortreflich, nämlich still
und dunkel und romantisch angelegt worden, so

uͤber Augen, Ohren und Mund zugleich —
aber ihre Schwungfedern ſind laͤnger und weiſſer,
als irgend einer andern Liebe.

Vor Neupeters Hauſe unten ſah er lang
zu ſeinem Fenſter auf, ſeine Zelle kam ihm or¬
dentlich fremd vor und er ſich, und es war ihm,
als muͤſſe der Notar jede Minute oben heraus
gucken auf ihn herunter. Ploͤzlich fieng am Fen¬
ſter eine Floͤte an; er fuhr ſehr kurz zuſammen,
da ſein lieber Bruder ihn droben erwartete. Er
brachte ihm das Feuer zu, in welches Wina ihr
mildes Oel gegoſſen. Vult war ganz liebreich
und freundlich; denn er hatte unterdeſſen im
Doppel-Roman das neue Stuͤck Gartenland be¬
ſehen und umſchritten, das Walt bisher daran
fertig gemacht und gemauert, — und hatte da
gefunden, daß die gruͤnen Haͤngbruͤcken, die
vom Herkules-Tempel der Freundſchaft weg¬
fuͤhrten, ſehr ſchoͤn gut gebogen und angeſtri¬
chen, die Moos- und Rinden-Einſiedelei der
erſten Liebe aber, die ſich ſelber noch fuͤr ein¬
ſam und einherzig haͤlt, vortreflich, naͤmlich ſtill
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[41/0049] uͤber Augen, Ohren und Mund zugleich — aber ihre Schwungfedern ſind laͤnger und weiſſer, als irgend einer andern Liebe. Vor Neupeters Hauſe unten ſah er lang zu ſeinem Fenſter auf, ſeine Zelle kam ihm or¬ dentlich fremd vor und er ſich, und es war ihm, als muͤſſe der Notar jede Minute oben heraus gucken auf ihn herunter. Ploͤzlich fieng am Fen¬ ſter eine Floͤte an; er fuhr ſehr kurz zuſammen, da ſein lieber Bruder ihn droben erwartete. Er brachte ihm das Feuer zu, in welches Wina ihr mildes Oel gegoſſen. Vult war ganz liebreich und freundlich; denn er hatte unterdeſſen im Doppel-Roman das neue Stuͤck Gartenland be¬ ſehen und umſchritten, das Walt bisher daran fertig gemacht und gemauert, — und hatte da gefunden, daß die gruͤnen Haͤngbruͤcken, die vom Herkules-Tempel der Freundſchaft weg¬ fuͤhrten, ſehr ſchoͤn gut gebogen und angeſtri¬ chen, die Moos- und Rinden-Einſiedelei der erſten Liebe aber, die ſich ſelber noch fuͤr ein¬ ſam und einherzig haͤlt, vortreflich, naͤmlich ſtill und dunkel und romantiſch angelegt worden, ſo

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/49>, abgerufen am 21.11.2024.