Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

daß nun nichts weiter mehr fehlte als die Vo¬
gelhäuser, Klingel-Häusgen, Satyrs und an¬
dere Garten-Götter, die Vult seines Orts und
Amts von der Brücke an ausschweifend zu posti¬
ren hatte.

Er pries gewaltig, wiewohl heute das Lob
den Notar weniger entzückte als erweichte. "Brü¬
derlein, sagt' er, kennt' ich dich und die Macht
der Kunst nicht so gut, so schwür' ich, du wä¬
rest schon auf dem elektrischen Isolir-Schemel
der ersten Liebe gestanden, und hättest geblizt;
so wahr und hübsch steht jeder Funke da." Denn
Vult hatte bisher, ungeachtet oder vielmehr we¬
gen aller Offenherzigkeit des Bruders, das Ver¬
gißmeinnicht der Liebe nicht in ihm bemerkt,
weil alles in ihm voll Liebes-Blumen stand,
und weil Vult selber jezt nicht viel aus den
Weibern machte. Sein Schmolgeist, sagt' er
oft, meide den weiblichen; man müsse aus ei¬
nem lakirten Stäbgen, das nur für die
weiblichen Blumen in der Erde steht, eine rö¬
mische Säule werden, deren Kapital jene Blu¬
men blos bekränzen.

daß nun nichts weiter mehr fehlte als die Vo¬
gelhaͤuſer, Klingel-Haͤusgen, Satyrs und an¬
dere Garten-Goͤtter, die Vult ſeines Orts und
Amts von der Bruͤcke an ausſchweifend zu poſti¬
ren hatte.

Er pries gewaltig, wiewohl heute das Lob
den Notar weniger entzuͤckte als erweichte. „Bruͤ¬
derlein, ſagt' er, kennt' ich dich und die Macht
der Kunſt nicht ſo gut, ſo ſchwuͤr' ich, du waͤ¬
reſt ſchon auf dem elektriſchen Iſolir-Schemel
der erſten Liebe geſtanden, und haͤtteſt geblizt;
ſo wahr und huͤbſch ſteht jeder Funke da.“ Denn
Vult hatte bisher, ungeachtet oder vielmehr we¬
gen aller Offenherzigkeit des Bruders, das Ver¬
gißmeinnicht der Liebe nicht in ihm bemerkt,
weil alles in ihm voll Liebes-Blumen ſtand,
und weil Vult ſelber jezt nicht viel aus den
Weibern machte. Sein Schmolgeiſt, ſagt' er
oft, meide den weiblichen; man muͤſſe aus ei¬
nem lakirten Staͤbgen, das nur fuͤr die
weiblichen Blumen in der Erde ſteht, eine roͤ¬
miſche Saͤule werden, deren Kapital jene Blu¬
men blos bekraͤnzen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="42"/>
daß nun nichts weiter mehr fehlte als die Vo¬<lb/>
gelha&#x0364;u&#x017F;er, Klingel-Ha&#x0364;usgen, Satyrs und an¬<lb/>
dere Garten-Go&#x0364;tter, die Vult &#x017F;eines Orts und<lb/>
Amts von der Bru&#x0364;cke an aus&#x017F;chweifend zu po&#x017F;ti¬<lb/>
ren hatte.</p><lb/>
        <p>Er pries gewaltig, wiewohl heute das Lob<lb/>
den Notar weniger entzu&#x0364;ckte als erweichte. &#x201E;Bru&#x0364;¬<lb/>
derlein, &#x017F;agt' er, kennt' ich dich und die Macht<lb/>
der Kun&#x017F;t nicht &#x017F;o gut, &#x017F;o &#x017F;chwu&#x0364;r' ich, du wa&#x0364;¬<lb/>
re&#x017F;t &#x017F;chon auf dem elektri&#x017F;chen I&#x017F;olir-Schemel<lb/>
der er&#x017F;ten Liebe ge&#x017F;tanden, und ha&#x0364;tte&#x017F;t geblizt;<lb/>
&#x017F;o wahr und hu&#x0364;b&#x017F;ch &#x017F;teht jeder Funke da.&#x201C; Denn<lb/>
Vult hatte bisher, ungeachtet oder vielmehr we¬<lb/>
gen aller Offenherzigkeit des Bruders, das Ver¬<lb/>
gißmeinnicht der Liebe nicht in ihm bemerkt,<lb/>
weil alles in ihm voll Liebes-Blumen &#x017F;tand,<lb/>
und weil Vult &#x017F;elber jezt nicht viel aus den<lb/>
Weibern machte. Sein Schmolgei&#x017F;t, &#x017F;agt' er<lb/>
oft, meide den weiblichen; man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus ei¬<lb/>
nem lakirten <hi rendition="#g">Sta&#x0364;bgen</hi>, das nur fu&#x0364;r die<lb/>
weiblichen Blumen in der Erde &#x017F;teht, eine ro&#x0364;¬<lb/>
mi&#x017F;che <hi rendition="#g">Sa&#x0364;ule</hi> werden, deren Kapital jene Blu¬<lb/>
men blos bekra&#x0364;nzen.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0050] daß nun nichts weiter mehr fehlte als die Vo¬ gelhaͤuſer, Klingel-Haͤusgen, Satyrs und an¬ dere Garten-Goͤtter, die Vult ſeines Orts und Amts von der Bruͤcke an ausſchweifend zu poſti¬ ren hatte. Er pries gewaltig, wiewohl heute das Lob den Notar weniger entzuͤckte als erweichte. „Bruͤ¬ derlein, ſagt' er, kennt' ich dich und die Macht der Kunſt nicht ſo gut, ſo ſchwuͤr' ich, du waͤ¬ reſt ſchon auf dem elektriſchen Iſolir-Schemel der erſten Liebe geſtanden, und haͤtteſt geblizt; ſo wahr und huͤbſch ſteht jeder Funke da.“ Denn Vult hatte bisher, ungeachtet oder vielmehr we¬ gen aller Offenherzigkeit des Bruders, das Ver¬ gißmeinnicht der Liebe nicht in ihm bemerkt, weil alles in ihm voll Liebes-Blumen ſtand, und weil Vult ſelber jezt nicht viel aus den Weibern machte. Sein Schmolgeiſt, ſagt' er oft, meide den weiblichen; man muͤſſe aus ei¬ nem lakirten Staͤbgen, das nur fuͤr die weiblichen Blumen in der Erde ſteht, eine roͤ¬ miſche Saͤule werden, deren Kapital jene Blu¬ men blos bekraͤnzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/50
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/50>, abgerufen am 09.11.2024.