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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Gleichwohl bracht' er's nicht über sein höfliches
Herz, alles zu zerreissen und von neuem anzu¬
heben.

Darauf testirte der Kranke dem dürftigen
Flachs seine silbernen Sporen und seinen mit See¬
hund bezognen leeren Koffer, und die Reitpeitsche.
Dem D. Hut vermacht' er alles, was er an Aktiv-
Schulden in der Stadt zu fodern hatte.

Er mußte innen halten, um einige Kräfte zu
schöpfen. "Auch vermach' ich dem H. Notar Har¬
nisch, hob er mit schwacher Stimme wieder an,
für das Vergnügen ihn zu kennen, alles, was
sich theils an Baarschaft, theils an Wechseln nach
meinem Tode bei mir vorfinden mag, und was
sich gegenwärtig nicht über 20 Friedrichsd'or be¬
laufen wird, daher ich ihn bitte vorlieb zu neh¬
men, und meinen goldnen Fingerring noch bei¬
füge."

Walt konnte kaum die Feder führen; und
wollt' es auch nicht mehr; denn er verröthete,
vor so vielen Zeugen, und von einem sterbenden
Menschen, dem er nichts vergelten konnte, so an¬
sehnlich beschenkt zu werden; er stand auf, drükte

Gleichwohl bracht' er's nicht uͤber ſein hoͤfliches
Herz, alles zu zerreiſſen und von neuem anzu¬
heben.

Darauf teſtirte der Kranke dem duͤrftigen
Flachs ſeine ſilbernen Sporen und ſeinen mit See¬
hund bezognen leeren Koffer, und die Reitpeitſche.
Dem D. Hut vermacht' er alles, was er an Aktiv-
Schulden in der Stadt zu fodern hatte.

Er mußte innen halten, um einige Kraͤfte zu
ſchoͤpfen. „Auch vermach' ich dem H. Notar Har¬
niſch, hob er mit ſchwacher Stimme wieder an,
fuͤr das Vergnuͤgen ihn zu kennen, alles, was
ſich theils an Baarſchaft, theils an Wechſeln nach
meinem Tode bei mir vorfinden mag, und was
ſich gegenwaͤrtig nicht uͤber 20 Friedrichsd'or be¬
laufen wird, daher ich ihn bitte vorlieb zu neh¬
men, und meinen goldnen Fingerring noch bei¬
fuͤge.“

Walt konnte kaum die Feder fuͤhren; und
wollt' es auch nicht mehr; denn er verroͤthete,
vor ſo vielen Zeugen, und von einem ſterbenden
Menſchen, dem er nichts vergelten konnte, ſo an¬
ſehnlich beſchenkt zu werden; er ſtand auf, druͤkte

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[53/0061] Gleichwohl bracht' er's nicht uͤber ſein hoͤfliches Herz, alles zu zerreiſſen und von neuem anzu¬ heben. Darauf teſtirte der Kranke dem duͤrftigen Flachs ſeine ſilbernen Sporen und ſeinen mit See¬ hund bezognen leeren Koffer, und die Reitpeitſche. Dem D. Hut vermacht' er alles, was er an Aktiv- Schulden in der Stadt zu fodern hatte. Er mußte innen halten, um einige Kraͤfte zu ſchoͤpfen. „Auch vermach' ich dem H. Notar Har¬ niſch, hob er mit ſchwacher Stimme wieder an, fuͤr das Vergnuͤgen ihn zu kennen, alles, was ſich theils an Baarſchaft, theils an Wechſeln nach meinem Tode bei mir vorfinden mag, und was ſich gegenwaͤrtig nicht uͤber 20 Friedrichsd'or be¬ laufen wird, daher ich ihn bitte vorlieb zu neh¬ men, und meinen goldnen Fingerring noch bei¬ fuͤge.“ Walt konnte kaum die Feder fuͤhren; und wollt' es auch nicht mehr; denn er verroͤthete, vor ſo vielen Zeugen, und von einem ſterbenden Menſchen, dem er nichts vergelten konnte, ſo an¬ ſehnlich beſchenkt zu werden; er ſtand auf, druͤkte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/61>, abgerufen am 16.05.2024.