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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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stumm vor Mitleiden und Liebe die gebende Hand
und sagte: nein, und bat ihn, doch einen Arzt
zu wählen.

"Dem Hrn. Stadtthürmer Heering" -- woll¬
te Flitte fortfahren, sank aber geschwächt durch
Sprechen aufs Kissen zurük. Heering sprang her¬
bei, lockerte die Kissen besser auf und sezte den Pa¬
zienten ein wenig in die Höhe. Es schlug 12 Uhr;
und Heering sollte nachschlagen; aber er wollte in
einen solchen Aktus nicht hämmern auf der Glocke,
sondern erhielt Stille, damit man den Testirer
forthöre: "ihn also bedenk' ich mit meinem feinen
weissen Zeuge, desgleichen mit allen meinen Klei¬
dern -- nur die Reitstiefel gehören der Magd --
und alles was noch von einer reichbesezten Taba¬
tiere in meinem Koffer übrig bleibt, wenn man
davon Leichen- und andere Kosten bestritten hat."

Bald nach einigen Legaten und nach den For¬
malitäten, die den lezten Willen eines Menschen
noch mehr erschweren als den schlimmsten vorher,
war alles abgethan. Noch drang der sichtbar
mehr ermattende Elsasser darauf, daß der Notar
jezt alle seine Effekten mit dem Notariatssiegel zu¬

ſtumm vor Mitleiden und Liebe die gebende Hand
und ſagte: nein, und bat ihn, doch einen Arzt
zu waͤhlen.

„Dem Hrn. Stadtthuͤrmer Heering“ — woll¬
te Flitte fortfahren, ſank aber geſchwaͤcht durch
Sprechen aufs Kiſſen zuruͤk. Heering ſprang her¬
bei, lockerte die Kiſſen beſſer auf und ſezte den Pa¬
zienten ein wenig in die Hoͤhe. Es ſchlug 12 Uhr;
und Heering ſollte nachſchlagen; aber er wollte in
einen ſolchen Aktus nicht haͤmmern auf der Glocke,
ſondern erhielt Stille, damit man den Teſtirer
forthoͤre: „ihn alſo bedenk' ich mit meinem feinen
weiſſen Zeuge, desgleichen mit allen meinen Klei¬
dern — nur die Reitſtiefel gehoͤren der Magd —
und alles was noch von einer reichbeſezten Taba¬
tiere in meinem Koffer uͤbrig bleibt, wenn man
davon Leichen- und andere Koſten beſtritten hat.“

Bald nach einigen Legaten und nach den For¬
malitaͤten, die den lezten Willen eines Menſchen
noch mehr erſchweren als den ſchlimmſten vorher,
war alles abgethan. Noch drang der ſichtbar
mehr ermattende Elſaſſer darauf, daß der Notar
jezt alle ſeine Effekten mit dem Notariatsſiegel zu¬

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[54/0062] ſtumm vor Mitleiden und Liebe die gebende Hand und ſagte: nein, und bat ihn, doch einen Arzt zu waͤhlen. „Dem Hrn. Stadtthuͤrmer Heering“ — woll¬ te Flitte fortfahren, ſank aber geſchwaͤcht durch Sprechen aufs Kiſſen zuruͤk. Heering ſprang her¬ bei, lockerte die Kiſſen beſſer auf und ſezte den Pa¬ zienten ein wenig in die Hoͤhe. Es ſchlug 12 Uhr; und Heering ſollte nachſchlagen; aber er wollte in einen ſolchen Aktus nicht haͤmmern auf der Glocke, ſondern erhielt Stille, damit man den Teſtirer forthoͤre: „ihn alſo bedenk' ich mit meinem feinen weiſſen Zeuge, desgleichen mit allen meinen Klei¬ dern — nur die Reitſtiefel gehoͤren der Magd — und alles was noch von einer reichbeſezten Taba¬ tiere in meinem Koffer uͤbrig bleibt, wenn man davon Leichen- und andere Koſten beſtritten hat.“ Bald nach einigen Legaten und nach den For¬ malitaͤten, die den lezten Willen eines Menſchen noch mehr erſchweren als den ſchlimmſten vorher, war alles abgethan. Noch drang der ſichtbar mehr ermattende Elſaſſer darauf, daß der Notar jezt alle ſeine Effekten mit dem Notariatsſiegel zu¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/62>, abgerufen am 21.11.2024.