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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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petschiere. Er thats, da ihm alle Promptuarien,
sowohl von Hommel als Müller, dafür bürgten,
daß er's könne.

Es war ihm bitter, von dem armen lustigen
Vogel -- der ihm Feder und goldne Eier zurük¬
ließ -- zu scheiden, und ihn schon in den Krallen
der rupfenden Todes-Eule um sich schlagen zu
sehen. Heering leuchtete ihm und sämtlichen Zeu¬
gen herab. "Mir will's schwanen, sagte der
Thürmer, daß er die Nacht nicht übersteht; ich
habe meine kuriosen Zeichen. Ich hänge aber mor¬
gen früh mein Schnupftuch aus dem Thurme,
wenn er wirklich abgefahren ist." Schauerlich
trat man die langen Treppenleitern durch die lee¬
ren dumpfen Thurm-Geklüfte, worin nichts war,
als eine Treppe, herunter. Der langsame eiserne
Perpendikelschlag, gleichsam das Hin- und Her¬
mähen der an die Uhr gehangenen Eisen-Sense
der Zeit, -- das äussere Windstossen an den Thurm
-- das einsame Gepolter der 9 lebendigen Men¬
schen -- die seltsamen Beleuchtungen, die die ge¬
tragene Laterne durch die oberste Empor hinunter
in die Stuhlreihen flattern ließ, in deren jeder ein

petſchiere. Er thats, da ihm alle Promptuarien,
ſowohl von Hommel als Muͤller, dafuͤr buͤrgten,
daß er's koͤnne.

Es war ihm bitter, von dem armen luſtigen
Vogel — der ihm Feder und goldne Eier zuruͤk¬
ließ — zu ſcheiden, und ihn ſchon in den Krallen
der rupfenden Todes-Eule um ſich ſchlagen zu
ſehen. Heering leuchtete ihm und ſaͤmtlichen Zeu¬
gen herab. „Mir will's ſchwanen, ſagte der
Thuͤrmer, daß er die Nacht nicht uͤberſteht; ich
habe meine kurioſen Zeichen. Ich haͤnge aber mor¬
gen fruͤh mein Schnupftuch aus dem Thurme,
wenn er wirklich abgefahren iſt.“ Schauerlich
trat man die langen Treppenleitern durch die lee¬
ren dumpfen Thurm-Gekluͤfte, worin nichts war,
als eine Treppe, herunter. Der langſame eiſerne
Perpendikelſchlag, gleichſam das Hin- und Her¬
maͤhen der an die Uhr gehangenen Eiſen-Senſe
der Zeit, — das aͤuſſere Windſtoſſen an den Thurm
— das einſame Gepolter der 9 lebendigen Men¬
ſchen — die ſeltſamen Beleuchtungen, die die ge¬
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[55/0063] petſchiere. Er thats, da ihm alle Promptuarien, ſowohl von Hommel als Muͤller, dafuͤr buͤrgten, daß er's koͤnne. Es war ihm bitter, von dem armen luſtigen Vogel — der ihm Feder und goldne Eier zuruͤk¬ ließ — zu ſcheiden, und ihn ſchon in den Krallen der rupfenden Todes-Eule um ſich ſchlagen zu ſehen. Heering leuchtete ihm und ſaͤmtlichen Zeu¬ gen herab. „Mir will's ſchwanen, ſagte der Thuͤrmer, daß er die Nacht nicht uͤberſteht; ich habe meine kurioſen Zeichen. Ich haͤnge aber mor¬ gen fruͤh mein Schnupftuch aus dem Thurme, wenn er wirklich abgefahren iſt.“ Schauerlich trat man die langen Treppenleitern durch die lee¬ ren dumpfen Thurm-Gekluͤfte, worin nichts war, als eine Treppe, herunter. Der langſame eiſerne Perpendikelſchlag, gleichſam das Hin- und Her¬ maͤhen der an die Uhr gehangenen Eiſen-Senſe der Zeit, — das aͤuſſere Windſtoſſen an den Thurm — das einſame Gepolter der 9 lebendigen Men¬ ſchen — die ſeltſamen Beleuchtungen, die die ge¬ tragene Laterne durch die oberſte Empor hinunter in die Stuhlreihen flattern ließ, in deren jeder ein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/63>, abgerufen am 16.05.2024.