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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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ne, die bei H. Kaufmann Corthum in Zerbst zu
haben sind. Er blikte ihr mit allen Zeichen des
theilnehmenden Herzens in ihre Augen voll Was¬
ser-Feuer, und hätte wohl gewünscht, die Deli¬
katesse englischer Romane verstattete ihm, ihre
zarte weisse Hand in etwas zu fassen, welche
vor ihm stark im besonnten Grüne gaukelte, und
in den Thau der Gebüsche fuhr, und darauf ins
Haar, um es damit nach der Vorschrift eines
Engländers wie andere Gewächse zu stärken.

Beide stellten sich jezt -- der Pyramide und
dem steinernen Grosvater auf der Insel gegen¬
über -- an eine Urne aus Baumrinde. Raphae¬
la hatte eine Lesetafel mit der Inschrift: "bis
daher dauere die Freundschaft" daran gemacht.
Sie schlang den Arm aufwärts um die Urne,
so daß er immer schneeweisser wurde durch
Bluts-Verhalt, und versicherte, hier denke sie
oft an ihre ferne Wina von Zablocki, die ihr
leider jährlich zweimal, durch die Michaelis-
und die Ostermesse, nach Leipzig vom Generale
entführet werde, seinem Vertrage mit der Mut¬
ter zufolge. Ohne ihr Wissen war ihr Ton

ne, die bei H. Kaufmann Corthum in Zerbſt zu
haben ſind. Er blikte ihr mit allen Zeichen des
theilnehmenden Herzens in ihre Augen voll Waſ¬
ſer-Feuer, und haͤtte wohl gewuͤnſcht, die Deli¬
kateſſe engliſcher Romane verſtattete ihm, ihre
zarte weiſſe Hand in etwas zu faſſen, welche
vor ihm ſtark im beſonnten Gruͤne gaukelte, und
in den Thau der Gebuͤſche fuhr, und darauf ins
Haar, um es damit nach der Vorſchrift eines
Englaͤnders wie andere Gewaͤchſe zu ſtaͤrken.

Beide ſtellten ſich jezt — der Pyramide und
dem ſteinernen Grosvater auf der Inſel gegen¬
uͤber — an eine Urne aus Baumrinde. Raphae¬
la hatte eine Leſetafel mit der Inſchrift: „bis
daher dauere die Freundſchaft“ daran gemacht.
Sie ſchlang den Arm aufwaͤrts um die Urne,
ſo daß er immer ſchneeweiſſer wurde durch
Bluts-Verhalt, und verſicherte, hier denke ſie
oft an ihre ferne Wina von Zablocki, die ihr
leider jaͤhrlich zweimal, durch die Michaelis-
und die Oſtermeſſe, nach Leipzig vom Generale
entfuͤhret werde, ſeinem Vertrage mit der Mut¬
ter zufolge. Ohne ihr Wiſſen war ihr Ton

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[64/0072] ne, die bei H. Kaufmann Corthum in Zerbſt zu haben ſind. Er blikte ihr mit allen Zeichen des theilnehmenden Herzens in ihre Augen voll Waſ¬ ſer-Feuer, und haͤtte wohl gewuͤnſcht, die Deli¬ kateſſe engliſcher Romane verſtattete ihm, ihre zarte weiſſe Hand in etwas zu faſſen, welche vor ihm ſtark im beſonnten Gruͤne gaukelte, und in den Thau der Gebuͤſche fuhr, und darauf ins Haar, um es damit nach der Vorſchrift eines Englaͤnders wie andere Gewaͤchſe zu ſtaͤrken. Beide ſtellten ſich jezt — der Pyramide und dem ſteinernen Grosvater auf der Inſel gegen¬ uͤber — an eine Urne aus Baumrinde. Raphae¬ la hatte eine Leſetafel mit der Inſchrift: „bis daher dauere die Freundſchaft“ daran gemacht. Sie ſchlang den Arm aufwaͤrts um die Urne, ſo daß er immer ſchneeweiſſer wurde durch Bluts-Verhalt, und verſicherte, hier denke ſie oft an ihre ferne Wina von Zablocki, die ihr leider jaͤhrlich zweimal, durch die Michaelis- und die Oſtermeſſe, nach Leipzig vom Generale entfuͤhret werde, ſeinem Vertrage mit der Mut¬ ter zufolge. Ohne ihr Wiſſen war ihr Ton

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/72>, abgerufen am 16.05.2024.