Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.sich auf die eine Wagschale zu stellen, den Kär¬ "Bei Gott, schreibt er in sein Tagebuch, um ſich auf die eine Wagſchale zu ſtellen, den Kaͤr¬ „Bei Gott, ſchreibt er in ſein Tagebuch, um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="77"/> ſich auf die eine Wagſchale zu ſtellen, den Kaͤr¬<lb/> ner auf die andere. Da er nun ſogleich bemerkte,<lb/> wie ſehr er mit ſeinen Gluͤcksloſen und Zucker¬<lb/> huͤten den Kaͤrner uͤberwiege — der alten Holz¬<lb/> weiber nicht einmal zu gedenken —; da er finden<lb/> mußte, daß ſein freies fliegendes Fortkommen ge¬<lb/> gen das traͤge Karren- und Stunden-Rad des<lb/> Mannes gemeſſen, mehr der freudigen leichten<lb/> Weiſe beikomme, wie die Groſſen reiſen: ſo wurd'<lb/> er roth uͤber ſeinen Reichthum und Stand — er<lb/> ſah die Weiber noch halten und lehnen — er lief<lb/> zuruͤck mit vier Gaben und eilig davon.</p><lb/> <p>„Bei Gott, ſchreibt er in ſein Tagebuch, um<lb/> ſich ganz zu rechtfertigen — der armſelige fluͤchti¬<lb/> ge Sinnen-Kizel einer beſſern Nahrung, welchen<lb/> etwan ein paar geſchenkte Groſchen bereiten koͤn¬<lb/> nen und uͤberhaupt der <hi rendition="#g">Genuß</hi>, der kann nie<lb/> der Anlas werden, daß man die Groſchen ſo freu¬<lb/> dig hinreicht; aber die <hi rendition="#g">Freude</hi>, die man da¬<lb/> durch auf einen ganzen Tag lang in ein ausge¬<lb/> hungertes Herz und in ſeine welken, kalten engen<lb/> Adern auswaͤrmend hinein gieſſet, dieſer ſchoͤnſte<lb/> Himmel anderer Menſchen iſt doch wohl wohlfeil<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0085]
ſich auf die eine Wagſchale zu ſtellen, den Kaͤr¬
ner auf die andere. Da er nun ſogleich bemerkte,
wie ſehr er mit ſeinen Gluͤcksloſen und Zucker¬
huͤten den Kaͤrner uͤberwiege — der alten Holz¬
weiber nicht einmal zu gedenken —; da er finden
mußte, daß ſein freies fliegendes Fortkommen ge¬
gen das traͤge Karren- und Stunden-Rad des
Mannes gemeſſen, mehr der freudigen leichten
Weiſe beikomme, wie die Groſſen reiſen: ſo wurd'
er roth uͤber ſeinen Reichthum und Stand — er
ſah die Weiber noch halten und lehnen — er lief
zuruͤck mit vier Gaben und eilig davon.
„Bei Gott, ſchreibt er in ſein Tagebuch, um
ſich ganz zu rechtfertigen — der armſelige fluͤchti¬
ge Sinnen-Kizel einer beſſern Nahrung, welchen
etwan ein paar geſchenkte Groſchen bereiten koͤn¬
nen und uͤberhaupt der Genuß, der kann nie
der Anlas werden, daß man die Groſchen ſo freu¬
dig hinreicht; aber die Freude, die man da¬
durch auf einen ganzen Tag lang in ein ausge¬
hungertes Herz und in ſeine welken, kalten engen
Adern auswaͤrmend hinein gieſſet, dieſer ſchoͤnſte
Himmel anderer Menſchen iſt doch wohl wohlfeil
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