wenn wir Juden einen schlimmen Fürsten malen wollen, so sagen wir: das ist ein wahrer Titus! -- Die Titusköpfe bauen uns kein Jerusalem." "Sonst -- fuhr ich fort -- war Hebräisch, Ju¬ denteutsch, Neuhebräisch, mein Fach, sammt den Hülfssprachen, dem Chaldäischen, Arabischen -- alles ist vergessen durchs starke Fieber, Moses -- Sonst kannt' ich meine Schuldner auf hundert Schritte, die Gläubiger auf tausend weit." -- "Wechsel, versetzt' er, sind da gut" und präsen¬ tirte mir einen fälligen noch über der Spree" . . . . .
Hier machte aufgeheitert H. Paradisi die Thüre auf und dankte Raphaelen sehr für ihr Blatt, und warf ein höfliches Auge auf Walt. Er nahm dessen Bürgschaft an. Selten war der Notarius seliger -- und unseliger gewesen. Vults parodischer, zynischer Spaß hatte ihm allein rein¬ bitter geschmeckt -- andern nur abgeschmackt --; indeß ihn das neue Glück erquickte, Flittes Ent¬ satz und Schutzgeist zu werden. Vor Vults Oh¬ ren und Augen wurde kühn und kalt die Wechsel¬ sache vollführt und geründet und der Flötenspieler wurde über die so frei auseinander blühende Ge¬
wenn wir Juden einen ſchlimmen Fuͤrſten malen wollen, ſo ſagen wir: das iſt ein wahrer Titus! — Die Tituskoͤpfe bauen uns kein Jeruſalem.“ „Sonſt — fuhr ich fort — war Hebraͤiſch, Ju¬ denteutſch, Neuhebraͤiſch, mein Fach, ſammt den Huͤlfsſprachen, dem Chaldaͤiſchen, Arabiſchen — alles iſt vergeſſen durchs ſtarke Fieber, Moſes — Sonſt kannt' ich meine Schuldner auf hundert Schritte, die Glaͤubiger auf tauſend weit.“ — „Wechſel, verſetzt' er, ſind da gut“ und praͤſen¬ tirte mir einen faͤlligen noch uͤber der Spree“ . . . . .
Hier machte aufgeheitert H. Paradiſi die Thuͤre auf und dankte Raphaelen ſehr fuͤr ihr Blatt, und warf ein hoͤfliches Auge auf Walt. Er nahm deſſen Buͤrgſchaft an. Selten war der Notarius ſeliger — und unſeliger geweſen. Vults parodiſcher, zyniſcher Spaß hatte ihm allein rein¬ bitter geſchmeckt — andern nur abgeſchmackt —; indeß ihn das neue Gluͤck erquickte, Flittes Ent¬ ſatz und Schutzgeiſt zu werden. Vor Vults Oh¬ ren und Augen wurde kuͤhn und kalt die Wechſel¬ ſache vollfuͤhrt und geruͤndet und der Floͤtenſpieler wurde uͤber die ſo frei auseinander bluͤhende Ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0104"n="98"/>
wenn wir Juden einen ſchlimmen Fuͤrſten malen<lb/>
wollen, ſo ſagen wir: das iſt ein wahrer Titus!<lb/>— Die Tituskoͤpfe bauen uns kein Jeruſalem.“<lb/>„Sonſt — fuhr ich fort — war Hebraͤiſch, Ju¬<lb/>
denteutſch, Neuhebraͤiſch, mein Fach, ſammt den<lb/>
Huͤlfsſprachen, dem Chaldaͤiſchen, Arabiſchen —<lb/>
alles iſt vergeſſen durchs ſtarke Fieber, Moſes —<lb/>
Sonſt kannt' ich meine Schuldner auf hundert<lb/>
Schritte, die Glaͤubiger auf tauſend weit.“—<lb/>„Wechſel, verſetzt' er, ſind da gut“ und praͤſen¬<lb/>
tirte mir einen faͤlligen noch uͤber der Spree“ . . . . .</p><lb/><p>Hier machte aufgeheitert H. Paradiſi die<lb/>
Thuͤre auf und dankte Raphaelen ſehr fuͤr ihr<lb/>
Blatt, und warf ein hoͤfliches Auge auf Walt.<lb/>
Er nahm deſſen Buͤrgſchaft an. Selten war der<lb/>
Notarius ſeliger — und unſeliger geweſen. Vults<lb/>
parodiſcher, zyniſcher Spaß hatte ihm allein rein¬<lb/>
bitter geſchmeckt — andern nur abgeſchmackt —;<lb/>
indeß ihn das neue Gluͤck erquickte, Flittes Ent¬<lb/>ſatz und Schutzgeiſt zu werden. Vor Vults Oh¬<lb/>
ren und Augen wurde kuͤhn und kalt die Wechſel¬<lb/>ſache vollfuͤhrt und geruͤndet und der Floͤtenſpieler<lb/>
wurde uͤber die ſo frei auseinander bluͤhende Ge¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[98/0104]
wenn wir Juden einen ſchlimmen Fuͤrſten malen
wollen, ſo ſagen wir: das iſt ein wahrer Titus!
— Die Tituskoͤpfe bauen uns kein Jeruſalem.“
„Sonſt — fuhr ich fort — war Hebraͤiſch, Ju¬
denteutſch, Neuhebraͤiſch, mein Fach, ſammt den
Huͤlfsſprachen, dem Chaldaͤiſchen, Arabiſchen —
alles iſt vergeſſen durchs ſtarke Fieber, Moſes —
Sonſt kannt' ich meine Schuldner auf hundert
Schritte, die Glaͤubiger auf tauſend weit.“ —
„Wechſel, verſetzt' er, ſind da gut“ und praͤſen¬
tirte mir einen faͤlligen noch uͤber der Spree“ . . . . .
Hier machte aufgeheitert H. Paradiſi die
Thuͤre auf und dankte Raphaelen ſehr fuͤr ihr
Blatt, und warf ein hoͤfliches Auge auf Walt.
Er nahm deſſen Buͤrgſchaft an. Selten war der
Notarius ſeliger — und unſeliger geweſen. Vults
parodiſcher, zyniſcher Spaß hatte ihm allein rein¬
bitter geſchmeckt — andern nur abgeſchmackt —;
indeß ihn das neue Gluͤck erquickte, Flittes Ent¬
ſatz und Schutzgeiſt zu werden. Vor Vults Oh¬
ren und Augen wurde kuͤhn und kalt die Wechſel¬
ſache vollfuͤhrt und geruͤndet und der Floͤtenſpieler
wurde uͤber die ſo frei auseinander bluͤhende Ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/104>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.