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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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möchten zusammen wie ein Vögelpaar Ein Nest
oder Quartier bewohnen, dieses nämlich? Wie?"
-- "Nichts (sagte Walt). Aber du willst dieß?
O warum traut' ich denn deinem Gemüthe weni¬
ger? Gott züchtige mich dafür! O wie bist du!" --

"In diesem Falle muß ich das Blatt noch in
der Tasche tragen, (versetzte Vult und zog es
hervor) zuvörderst müssen wir aber unsern Stuben-
Etat für den Winter ins Reine und aufs Trockne
bringen; denn, Freund, leichter verträgt sich ein
Simultaneum von Religionsparteien in einer Kir¬
che als eines von Zwillingen in einer Stube, wie
sie dann schon als kleine Kraken nicht einmal im
Mutterleibe es ein Jahr lang ausdauern, sondern
sich sondern. Mein Wunsch ist allerdings, daß
die Feuermauer, die ich zwischen uns Flammen
gezogen, -- und die Bühnenwand langt zum
Glück so nett -- uns körperlich genug abtrenne,
um uns nicht geistig zu trennen. Die Scheide¬
wand ist auf deiner Seite mit einer schönen Reihe
Palläste übermalt, auf der meinigen ist ein arka¬
disches Dorf hingeschmiert und ich stoße nur die¬
ses Pallast-Fenster auf, so seh' ich dich von mei¬

moͤchten zuſammen wie ein Voͤgelpaar Ein Neſt
oder Quartier bewohnen, dieſes naͤmlich? Wie?“
— „Nichts (ſagte Walt). Aber du willſt dieß?
O warum traut' ich denn deinem Gemuͤthe weni¬
ger? Gott zuͤchtige mich dafuͤr! O wie biſt du!“ —

„In dieſem Falle muß ich das Blatt noch in
der Taſche tragen, (verſetzte Vult und zog es
hervor) zuvoͤrderſt muͤſſen wir aber unſern Stuben-
Etat fuͤr den Winter ins Reine und aufs Trockne
bringen; denn, Freund, leichter vertraͤgt ſich ein
Simultaneum von Religionsparteien in einer Kir¬
che als eines von Zwillingen in einer Stube, wie
ſie dann ſchon als kleine Kraken nicht einmal im
Mutterleibe es ein Jahr lang ausdauern, ſondern
ſich ſondern. Mein Wunſch iſt allerdings, daß
die Feuermauer, die ich zwiſchen uns Flammen
gezogen, — und die Buͤhnenwand langt zum
Gluͤck ſo nett — uns koͤrperlich genug abtrenne,
um uns nicht geiſtig zu trennen. Die Scheide¬
wand iſt auf deiner Seite mit einer ſchoͤnen Reihe
Pallaͤſte uͤbermalt, auf der meinigen iſt ein arka¬
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[116/0122] moͤchten zuſammen wie ein Voͤgelpaar Ein Neſt oder Quartier bewohnen, dieſes naͤmlich? Wie?“ — „Nichts (ſagte Walt). Aber du willſt dieß? O warum traut' ich denn deinem Gemuͤthe weni¬ ger? Gott zuͤchtige mich dafuͤr! O wie biſt du!“ — „In dieſem Falle muß ich das Blatt noch in der Taſche tragen, (verſetzte Vult und zog es hervor) zuvoͤrderſt muͤſſen wir aber unſern Stuben- Etat fuͤr den Winter ins Reine und aufs Trockne bringen; denn, Freund, leichter vertraͤgt ſich ein Simultaneum von Religionsparteien in einer Kir¬ che als eines von Zwillingen in einer Stube, wie ſie dann ſchon als kleine Kraken nicht einmal im Mutterleibe es ein Jahr lang ausdauern, ſondern ſich ſondern. Mein Wunſch iſt allerdings, daß die Feuermauer, die ich zwiſchen uns Flammen gezogen, — und die Buͤhnenwand langt zum Gluͤck ſo nett — uns koͤrperlich genug abtrenne, um uns nicht geiſtig zu trennen. Die Scheide¬ wand iſt auf deiner Seite mit einer ſchoͤnen Reihe Pallaͤſte uͤbermalt, auf der meinigen iſt ein arka¬ diſches Dorf hingeſchmiert und ich ſtoße nur die¬ ſes Pallaſt-Fenſter auf, ſo ſeh' ich dich von mei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/122>, abgerufen am 23.11.2024.