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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Sessel auf und durch die Stube mit der Feder in
der Hand (Vult sah oben über die spanische Wand
hinein und merkt' es an ) und ans Fenster und
sah nichts und konnte den süssen Sturm kaum
aus der Brust aufs Papier bringen und setzte sich
wieder nieder! Darauf sagt' er überfliessend:
"Flöte immer, mein Vult, du störest mich
nicht; ich gebe gar nicht darauf Acht, sondern
verspüre nur im Allgemeinen das Ertönen vor¬
theilhaft." -- "Sagt mir lieber, ihr Kautz,
von was ich jetzt auszuschweifen habe in Euerem
Kapitel, damit wir beisammen bleiben?" sagte
Vult.

Ueber dem Essen -- bald auf Walts, bald
auf Vults Zimmer -- dehnten beide die Mahlzeit
in die Länge, die aus Einer Porzion für zwei
Menschen bestand, weil kein Wirth die zweite
herborgte (was jedoch das Beisammenwohnen
desto schöner motivirt), und zwar dadurch, daß
sie mit höherem Geschmacke sprachen als mit kör¬
perlichem und mehr Worte als Bissen über die
Zunge brachten. Sie rechneten aus, um wie
viele Meilen die ersten Kapitel dem Magister Dyk

Seſſel auf und durch die Stube mit der Feder in
der Hand (Vult ſah oben uͤber die ſpaniſche Wand
hinein und merkt' es an ) und ans Fenſter und
ſah nichts und konnte den ſuͤſſen Sturm kaum
aus der Bruſt aufs Papier bringen und ſetzte ſich
wieder nieder! Darauf ſagt' er uͤberflieſſend:
„Floͤte immer, mein Vult, du ſtoͤreſt mich
nicht; ich gebe gar nicht darauf Acht, ſondern
verſpuͤre nur im Allgemeinen das Ertoͤnen vor¬
theilhaft.“ — „Sagt mir lieber, ihr Kautz,
von was ich jetzt auszuſchweifen habe in Euerem
Kapitel, damit wir beiſammen bleiben?“ ſagte
Vult.

Ueber dem Eſſen — bald auf Walts, bald
auf Vults Zimmer — dehnten beide die Mahlzeit
in die Laͤnge, die aus Einer Porzion fuͤr zwei
Menſchen beſtand, weil kein Wirth die zweite
herborgte (was jedoch das Beiſammenwohnen
deſto ſchoͤner motivirt), und zwar dadurch, daß
ſie mit hoͤherem Geſchmacke ſprachen als mit koͤr¬
perlichem und mehr Worte als Biſſen uͤber die
Zunge brachten. Sie rechneten aus, um wie
viele Meilen die erſten Kapitel dem Magiſter Dyk

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[150/0156] Seſſel auf und durch die Stube mit der Feder in der Hand (Vult ſah oben uͤber die ſpaniſche Wand hinein und merkt' es an ) und ans Fenſter und ſah nichts und konnte den ſuͤſſen Sturm kaum aus der Bruſt aufs Papier bringen und ſetzte ſich wieder nieder! Darauf ſagt' er uͤberflieſſend: „Floͤte immer, mein Vult, du ſtoͤreſt mich nicht; ich gebe gar nicht darauf Acht, ſondern verſpuͤre nur im Allgemeinen das Ertoͤnen vor¬ theilhaft.“ — „Sagt mir lieber, ihr Kautz, von was ich jetzt auszuſchweifen habe in Euerem Kapitel, damit wir beiſammen bleiben?“ ſagte Vult. Ueber dem Eſſen — bald auf Walts, bald auf Vults Zimmer — dehnten beide die Mahlzeit in die Laͤnge, die aus Einer Porzion fuͤr zwei Menſchen beſtand, weil kein Wirth die zweite herborgte (was jedoch das Beiſammenwohnen deſto ſchoͤner motivirt), und zwar dadurch, daß ſie mit hoͤherem Geſchmacke ſprachen als mit koͤr¬ perlichem und mehr Worte als Biſſen uͤber die Zunge brachten. Sie rechneten aus, um wie viele Meilen die erſten Kapitel dem Magiſter Dyk

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/156>, abgerufen am 24.11.2024.