Gängen er sie einmal gesehen, und Raphaela im Hause, die ihre Freundinn war, gehörten unter die Habseligkeiten seiner Brust. Selber seinen eignen Roman Hoppelpoppel kannte er kaum mehr, auf so neue Gemälde des liebenden Her¬ zens stieß er jetzt darin, von denen er erst diesen Abend recht faßte, was er neulich etwa damit haben wollen; nie fand er Autor einen gleichtöniger ge¬ stimmten Leser als er heute. Er bauete sich so¬ gleich ein zartes Bilderkabinet für die Gemälde von den Auftritten, die Wina vermuthlich diesen Abend haben könnte; z. B. im Schauspielhause, oder in den Leipziger Gärten, oder in einer ge¬ wählten Gesellschaft mit Musik. Darauf setzte er sich hin und beschrieb es sich mit Feuerfarben, wie ihr etwa heute sei in Glucks Iphigenie auf Tau¬ ris; dann machte er selige Gedichte auf sie; dann hielt er die Papiere voll Eden ins Talglicht, und verkohlte alles, weil er, sagt' er, nicht einsehe, mit welchem Rechte er ohne ihr Wissen so vieles von ihr offenbare ihr oder andern.
Als er zu Bette ging, verstattete er sich, Wina's Träume sich zu erträumen. "Wer kann
Gaͤngen er ſie einmal geſehen, und Raphaela im Hauſe, die ihre Freundinn war, gehoͤrten unter die Habſeligkeiten ſeiner Bruſt. Selber ſeinen eignen Roman Hoppelpoppel kannte er kaum mehr, auf ſo neue Gemaͤlde des liebenden Her¬ zens ſtieß er jetzt darin, von denen er erſt dieſen Abend recht faßte, was er neulich etwa damit haben wollen; nie fand er Autor einen gleichtoͤniger ge¬ ſtimmten Leſer als er heute. Er bauete ſich ſo¬ gleich ein zartes Bilderkabinet fuͤr die Gemaͤlde von den Auftritten, die Wina vermuthlich dieſen Abend haben koͤnnte; z. B. im Schauſpielhauſe, oder in den Leipziger Gaͤrten, oder in einer ge¬ waͤhlten Geſellſchaft mit Muſik. Darauf ſetzte er ſich hin und beſchrieb es ſich mit Feuerfarben, wie ihr etwa heute ſei in Glucks Iphigenie auf Tau¬ ris; dann machte er ſelige Gedichte auf ſie; dann hielt er die Papiere voll Eden ins Talglicht, und verkohlte alles, weil er, ſagt' er, nicht einſehe, mit welchem Rechte er ohne ihr Wiſſen ſo vieles von ihr offenbare ihr oder andern.
Als er zu Bette ging, verſtattete er ſich, Wina's Traͤume ſich zu ertraͤumen. „Wer kann
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="10"/>
Gaͤngen er ſie einmal geſehen, und Raphaela im<lb/>
Hauſe, die ihre Freundinn war, gehoͤrten unter<lb/>
die Habſeligkeiten ſeiner Bruſt. Selber ſeinen<lb/>
eignen Roman Hoppelpoppel kannte er kaum<lb/>
mehr, auf ſo neue Gemaͤlde des liebenden Her¬<lb/>
zens ſtieß er jetzt darin, von denen er erſt dieſen<lb/>
Abend recht faßte, was er neulich etwa damit haben<lb/>
wollen; nie fand er Autor einen gleichtoͤniger ge¬<lb/>ſtimmten Leſer als er heute. Er bauete ſich ſo¬<lb/>
gleich ein zartes Bilderkabinet fuͤr die Gemaͤlde<lb/>
von den Auftritten, die Wina vermuthlich dieſen<lb/>
Abend haben koͤnnte; z. B. im Schauſpielhauſe,<lb/>
oder in den Leipziger Gaͤrten, oder in einer ge¬<lb/>
waͤhlten Geſellſchaft mit Muſik. Darauf ſetzte er<lb/>ſich hin und beſchrieb es ſich mit Feuerfarben, wie<lb/>
ihr etwa heute ſei in Glucks Iphigenie auf Tau¬<lb/>
ris; dann machte er ſelige Gedichte auf ſie; dann<lb/>
hielt er die Papiere voll Eden ins Talglicht, und<lb/>
verkohlte alles, weil er, ſagt' er, nicht einſehe,<lb/>
mit welchem Rechte er ohne ihr Wiſſen ſo vieles<lb/>
von ihr offenbare ihr oder andern.</p><lb/><p>Als er zu Bette ging, verſtattete er ſich,<lb/>
Wina's Traͤume ſich zu ertraͤumen. „Wer kann<lb/></p></div></body></text></TEI>
[10/0016]
Gaͤngen er ſie einmal geſehen, und Raphaela im
Hauſe, die ihre Freundinn war, gehoͤrten unter
die Habſeligkeiten ſeiner Bruſt. Selber ſeinen
eignen Roman Hoppelpoppel kannte er kaum
mehr, auf ſo neue Gemaͤlde des liebenden Her¬
zens ſtieß er jetzt darin, von denen er erſt dieſen
Abend recht faßte, was er neulich etwa damit haben
wollen; nie fand er Autor einen gleichtoͤniger ge¬
ſtimmten Leſer als er heute. Er bauete ſich ſo¬
gleich ein zartes Bilderkabinet fuͤr die Gemaͤlde
von den Auftritten, die Wina vermuthlich dieſen
Abend haben koͤnnte; z. B. im Schauſpielhauſe,
oder in den Leipziger Gaͤrten, oder in einer ge¬
waͤhlten Geſellſchaft mit Muſik. Darauf ſetzte er
ſich hin und beſchrieb es ſich mit Feuerfarben, wie
ihr etwa heute ſei in Glucks Iphigenie auf Tau¬
ris; dann machte er ſelige Gedichte auf ſie; dann
hielt er die Papiere voll Eden ins Talglicht, und
verkohlte alles, weil er, ſagt' er, nicht einſehe,
mit welchem Rechte er ohne ihr Wiſſen ſo vieles
von ihr offenbare ihr oder andern.
Als er zu Bette ging, verſtattete er ſich,
Wina's Traͤume ſich zu ertraͤumen. „Wer kann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.