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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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hohen Tönen, die mich als Kind stets in helle
fremde Himmel hoben -- und draußen hatte sich
der blaue Aether ordentlich tief ins Sonntagsdorf
hineingelagert und vom Thurme wurde Jauchzen
in den Tag herab geblasen -- Jeder Kirchgänger
trug die Hoffnung eines langen Freudentags auf
dem Gesichte heim -- Die sich wiegende lakirte
Kutsche der Generalin rasselte durch uns alle durch,
nette, reiche Bedienten sprangen herab -- -- Ue¬
berhaupt wäre nur nachher nicht die Sache mit
dir gewesen -- "

"Zu oft käme sie nicht wieder!"

"Also ging der Vater im Gottestischrock ins
Pfarrhaus und hinter ihm die Mutter. Und als
ich, da sie abgegessen hatten, die Klingelthüre des
Pfarrhofs öffnete und schon die Truthühner des¬
selben mit Achtung sah:

"Du brauchst mirs nicht zu verdecken, daß
du mich drüben aus meiner verfluchten Karzer¬
kammer losbitten wolltest, weil ich zu sehr schrie
und Fenster und Kopf einzustoßen schwur."

"Die Bitte half wenig beim Vater; vielleicht
weil der Pfarrer sagte, du hättest ihn zu sehr be¬

hohen Toͤnen, die mich als Kind ſtets in helle
fremde Himmel hoben — und draußen hatte ſich
der blaue Aether ordentlich tief ins Sonntagsdorf
hineingelagert und vom Thurme wurde Jauchzen
in den Tag herab geblaſen — Jeder Kirchgaͤnger
trug die Hoffnung eines langen Freudentags auf
dem Geſichte heim — Die ſich wiegende lakirte
Kutſche der Generalin raſſelte durch uns alle durch,
nette, reiche Bedienten ſprangen herab — — Ue¬
berhaupt waͤre nur nachher nicht die Sache mit
dir geweſen — “

„Zu oft kaͤme ſie nicht wieder!“

„Alſo ging der Vater im Gottestiſchrock ins
Pfarrhaus und hinter ihm die Mutter. Und als
ich, da ſie abgegeſſen hatten, die Klingelthuͤre des
Pfarrhofs oͤffnete und ſchon die Truthuͤhner deſ¬
ſelben mit Achtung ſah:

„Du brauchſt mirs nicht zu verdecken, daß
du mich druͤben aus meiner verfluchten Karzer¬
kammer losbitten wollteſt, weil ich zu ſehr ſchrie
und Fenſter und Kopf einzuſtoßen ſchwur.“

„Die Bitte half wenig beim Vater; vielleicht
weil der Pfarrer ſagte, du haͤtteſt ihn zu ſehr be¬

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[186/0192] hohen Toͤnen, die mich als Kind ſtets in helle fremde Himmel hoben — und draußen hatte ſich der blaue Aether ordentlich tief ins Sonntagsdorf hineingelagert und vom Thurme wurde Jauchzen in den Tag herab geblaſen — Jeder Kirchgaͤnger trug die Hoffnung eines langen Freudentags auf dem Geſichte heim — Die ſich wiegende lakirte Kutſche der Generalin raſſelte durch uns alle durch, nette, reiche Bedienten ſprangen herab — — Ue¬ berhaupt waͤre nur nachher nicht die Sache mit dir geweſen — “ „Zu oft kaͤme ſie nicht wieder!“ „Alſo ging der Vater im Gottestiſchrock ins Pfarrhaus und hinter ihm die Mutter. Und als ich, da ſie abgegeſſen hatten, die Klingelthuͤre des Pfarrhofs oͤffnete und ſchon die Truthuͤhner deſ¬ ſelben mit Achtung ſah: „Du brauchſt mirs nicht zu verdecken, daß du mich druͤben aus meiner verfluchten Karzer¬ kammer losbitten wollteſt, weil ich zu ſehr ſchrie und Fenſter und Kopf einzuſtoßen ſchwur.“ „Die Bitte half wenig beim Vater; vielleicht weil der Pfarrer ſagte, du haͤtteſt ihn zu ſehr be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/192>, abgerufen am 27.11.2024.