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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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er sich mit dem rechten Arme, um sie fort zu füh¬
ren. "Ich werde -- sagte Wina sanft -- nach
dem Essen wieder kommen, und Ihrem Herzen
eine Bitte bringen;" und sah ihn mit den großen
guten Augen unverlegen an, und gab, wie zur
Antwort auf seinen fragenden Arm, ihm ein we¬
nig die ablenkende Hand in seine, um sie zu
drücken. Mehr braucht' er nicht, der Liebe ist
eine Hand mehr als ein Arm, wie ein Blick mehr
als ein Auge. Er blieb reich zurück, am einsa¬
men Eßtische, den ein verdrüßlicher Bedienter an
den Schreibtisch gesetzt hatte. Seine Hand war
ihm wie geheiligt durch das Wesen, das bisher
nur von seiner Seele berührt wurde. Wer kann
es sagen, warum der Druck einer geliebten Hand
mehr innige Zauberwärme in die Seele sendet als
selber ein Kuß, wenn nicht etwa die Einfachheit,
Unschuld, Festigkeit des Zeichens es thut?

Er speißte an einer Göttertafel -- die Welt
war der Göttersaal --, denn er sann Wina's
nächster Bitte nach. Eine thun, heißt in der
Liebe mehr geben, als eine erhören. Aber warum
macht die Liebe denn diese Ausnahme? Warum

er ſich mit dem rechten Arme, um ſie fort zu fuͤh¬
ren. „Ich werde — ſagte Wina ſanft — nach
dem Eſſen wieder kommen, und Ihrem Herzen
eine Bitte bringen;“ und ſah ihn mit den großen
guten Augen unverlegen an, und gab, wie zur
Antwort auf ſeinen fragenden Arm, ihm ein we¬
nig die ablenkende Hand in ſeine, um ſie zu
druͤcken. Mehr braucht' er nicht, der Liebe iſt
eine Hand mehr als ein Arm, wie ein Blick mehr
als ein Auge. Er blieb reich zuruͤck, am einſa¬
men Eßtiſche, den ein verdruͤßlicher Bedienter an
den Schreibtiſch geſetzt hatte. Seine Hand war
ihm wie geheiligt durch das Weſen, das bisher
nur von ſeiner Seele beruͤhrt wurde. Wer kann
es ſagen, warum der Druck einer geliebten Hand
mehr innige Zauberwaͤrme in die Seele ſendet als
ſelber ein Kuß, wenn nicht etwa die Einfachheit,
Unſchuld, Feſtigkeit des Zeichens es thut?

Er ſpeißte an einer Goͤttertafel — die Welt
war der Goͤtterſaal —, denn er ſann Wina's
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[212/0218] er ſich mit dem rechten Arme, um ſie fort zu fuͤh¬ ren. „Ich werde — ſagte Wina ſanft — nach dem Eſſen wieder kommen, und Ihrem Herzen eine Bitte bringen;“ und ſah ihn mit den großen guten Augen unverlegen an, und gab, wie zur Antwort auf ſeinen fragenden Arm, ihm ein we¬ nig die ablenkende Hand in ſeine, um ſie zu druͤcken. Mehr braucht' er nicht, der Liebe iſt eine Hand mehr als ein Arm, wie ein Blick mehr als ein Auge. Er blieb reich zuruͤck, am einſa¬ men Eßtiſche, den ein verdruͤßlicher Bedienter an den Schreibtiſch geſetzt hatte. Seine Hand war ihm wie geheiligt durch das Weſen, das bisher nur von ſeiner Seele beruͤhrt wurde. Wer kann es ſagen, warum der Druck einer geliebten Hand mehr innige Zauberwaͤrme in die Seele ſendet als ſelber ein Kuß, wenn nicht etwa die Einfachheit, Unſchuld, Feſtigkeit des Zeichens es thut? Er ſpeißte an einer Goͤttertafel — die Welt war der Goͤtterſaal —, denn er ſann Wina's naͤchſter Bitte nach. Eine thun, heißt in der Liebe mehr geben, als eine erhoͤren. Aber warum macht die Liebe denn dieſe Ausnahme? Warum

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/218>, abgerufen am 27.11.2024.