Ofen erlaubt. Tanz-Horen, Füllhörner voll Heu, Fruchtschnüre oder Stricke, Büschel von dicken festen Blumen oder Obst, und sechs Frühlinge aus Thon (denn es war ein Zirkulier-Ofen) waren aller¬ dings im Stande, einen Dichter wie er zu heitzen. -- Als noch immer die Rathsstube zu blieb, so ge¬ rieth er auf Neben- Ideen, ob nämlich nicht ein ganzer Roman aus Ofen-Pasten darzustellen und zu entwickeln wäre, besonders ein komischer. So vermag nur ein Mann vor einer wichtigen Wende¬ punktsstunde z. B. vor einer Krönung, Schlacht, Selbstermordung, nicht aber seine Frau vor einer ähnlichen, z. B. vor einem Balle, -- zu dichten, zu schlafen, zu lesen.
Da endlich der Schirmherr der Kabelschen ent¬ erbten Erben, der Pfalzgraf Knoll, eintrat, so fing alles an und wurde gehörig vor den Bürger¬ meister Kuhnold gestellt.
In seinem Leben war ihm nie so federleicht in einer Rathsstube gewesen; auf dem Staubfaden einer Lilie hätt' er sich schaukeln können. Er fiel aber bald von seiner Lilie ins Beet herunter, als der
Flegeljahre IV. B. 2
Ofen erlaubt. Tanz-Horen, Fuͤllhoͤrner voll Heu, Fruchtſchnuͤre oder Stricke, Buͤſchel von dicken feſten Blumen oder Obſt, und ſechs Fruͤhlinge aus Thon (denn es war ein Zirkulier-Ofen) waren aller¬ dings im Stande, einen Dichter wie er zu heitzen. — Als noch immer die Rathsſtube zu blieb, ſo ge¬ rieth er auf Neben- Ideen, ob naͤmlich nicht ein ganzer Roman aus Ofen-Paſten darzuſtellen und zu entwickeln waͤre, beſonders ein komiſcher. So vermag nur ein Mann vor einer wichtigen Wende¬ punktsſtunde z. B. vor einer Kroͤnung, Schlacht, Selbſtermordung, nicht aber ſeine Frau vor einer aͤhnlichen, z. B. vor einem Balle, — zu dichten, zu ſchlafen, zu leſen.
Da endlich der Schirmherr der Kabelſchen ent¬ erbten Erben, der Pfalzgraf Knoll, eintrat, ſo fing alles an und wurde gehoͤrig vor den Buͤrger¬ meiſter Kuhnold geſtellt.
In ſeinem Leben war ihm nie ſo federleicht in einer Rathsſtube geweſen; auf dem Staubfaden einer Lilie haͤtt' er ſich ſchaukeln koͤnnen. Er fiel aber bald von ſeiner Lilie ins Beet herunter, als der
Flegeljahre IV. B. 2
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Ofen erlaubt. Tanz-Horen, Fuͤllhoͤrner voll Heu,
Fruchtſchnuͤre oder Stricke, Buͤſchel von dicken
feſten Blumen oder Obſt, und ſechs Fruͤhlinge aus
Thon (denn es war ein Zirkulier-Ofen) waren aller¬
dings im Stande, einen Dichter wie er zu heitzen.
— Als noch immer die Rathsſtube zu blieb, ſo ge¬
rieth er auf Neben- Ideen, ob naͤmlich nicht ein
ganzer Roman aus Ofen-Paſten darzuſtellen und
zu entwickeln waͤre, beſonders ein komiſcher. So
vermag nur ein Mann vor einer wichtigen Wende¬
punktsſtunde z. B. vor einer Kroͤnung, Schlacht,
Selbſtermordung, nicht aber ſeine Frau vor einer
aͤhnlichen, z. B. vor einem Balle, — zu dichten,
zu ſchlafen, zu leſen.
Da endlich der Schirmherr der Kabelſchen ent¬
erbten Erben, der Pfalzgraf Knoll, eintrat, ſo
fing alles an und wurde gehoͤrig vor den Buͤrger¬
meiſter Kuhnold geſtellt.
In ſeinem Leben war ihm nie ſo federleicht in
einer Rathsſtube geweſen; auf dem Staubfaden
einer Lilie haͤtt' er ſich ſchaukeln koͤnnen. Er fiel
aber bald von ſeiner Lilie ins Beet herunter, als der
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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