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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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sich nähern." "Gut, das geschieht im Park,"
sagte Wina, und eilte hinab. Auf der Treppe
hinter nahen Ohren, nahm Vult eiligst alle mu¬
sikalische Abreden mit ihr, damit er auf dem
einsamern Park-Wege nichts zu machen brauch¬
te, als seine Eroberung. Zu seinem Schrecken
stand jetzt wie eine stille Pulverschlange, die blos
auf das Loszünden wartete, der Notar auf der
Hauptstrasse, der mit seiner heitern Miene sich
und andern versprach mitzugehen, und alles zu
begleiten. Wina gab ihm einen freudigen Mor¬
gen-, dann noch einen Neujahrs-Gruß, und
die Frage, "geht nicht alles vortreflich?" --
Sta, Sta, Viator, sagte Vult, und winkte ihm
heftig rückwärts, still zu liegen -- was jener
nachdenkend vollzog, "weil ich ja, dacht' er,
nicht weiß, was er für Ursachen dazu hat."

"Ein wahrer, inniger Mensch und Dichter,"
begann Vult. "Seine Gedichte sind himmlisch,"
versetzte sie. "Dennoch haben Sie uns beide als
Verfasser verwechselt? (fragt' er rasch, weil
ihm wie einem Ewigen und Seligen jetzt nichts
fehlte, als Zeit.) Ein solcher Irrthum verdient

ſich naͤhern.“ „Gut, das geſchieht im Park,“
ſagte Wina, und eilte hinab. Auf der Treppe
hinter nahen Ohren, nahm Vult eiligſt alle mu¬
ſikaliſche Abreden mit ihr, damit er auf dem
einſamern Park-Wege nichts zu machen brauch¬
te, als ſeine Eroberung. Zu ſeinem Schrecken
ſtand jetzt wie eine ſtille Pulverſchlange, die blos
auf das Loszuͤnden wartete, der Notar auf der
Hauptſtraſſe, der mit ſeiner heitern Miene ſich
und andern verſprach mitzugehen, und alles zu
begleiten. Wina gab ihm einen freudigen Mor¬
gen-, dann noch einen Neujahrs-Gruß, und
die Frage, „geht nicht alles vortreflich?“ —
Sta, Sta, Viator, ſagte Vult, und winkte ihm
heftig ruͤckwaͤrts, ſtill zu liegen — was jener
nachdenkend vollzog, „weil ich ja, dacht' er,
nicht weiß, was er fuͤr Urſachen dazu hat.“

„Ein wahrer, inniger Menſch und Dichter,“
begann Vult. „Seine Gedichte ſind himmliſch,“
verſetzte ſie. „Dennoch haben Sie uns beide als
Verfaſſer verwechſelt? (fragt' er raſch, weil
ihm wie einem Ewigen und Seligen jetzt nichts
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[252/0258] ſich naͤhern.“ „Gut, das geſchieht im Park,“ ſagte Wina, und eilte hinab. Auf der Treppe hinter nahen Ohren, nahm Vult eiligſt alle mu¬ ſikaliſche Abreden mit ihr, damit er auf dem einſamern Park-Wege nichts zu machen brauch¬ te, als ſeine Eroberung. Zu ſeinem Schrecken ſtand jetzt wie eine ſtille Pulverſchlange, die blos auf das Loszuͤnden wartete, der Notar auf der Hauptſtraſſe, der mit ſeiner heitern Miene ſich und andern verſprach mitzugehen, und alles zu begleiten. Wina gab ihm einen freudigen Mor¬ gen-, dann noch einen Neujahrs-Gruß, und die Frage, „geht nicht alles vortreflich?“ — Sta, Sta, Viator, ſagte Vult, und winkte ihm heftig ruͤckwaͤrts, ſtill zu liegen — was jener nachdenkend vollzog, „weil ich ja, dacht' er, nicht weiß, was er fuͤr Urſachen dazu hat.“ „Ein wahrer, inniger Menſch und Dichter,“ begann Vult. „Seine Gedichte ſind himmliſch,“ verſetzte ſie. „Dennoch haben Sie uns beide als Verfaſſer verwechſelt? (fragt' er raſch, weil ihm wie einem Ewigen und Seligen jetzt nichts fehlte, als Zeit.) Ein ſolcher Irrthum verdient

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/258>, abgerufen am 22.11.2024.