Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Astronom, dem sich der Himmel aufklärt,
ehe sich der Mond total verfinstert, suchte Vult
jetzt die Ohren des Bruders in etwas vom Lieb¬
haber-Theater wegzustellen, indem er ihm vor¬
hielt, wenn er in einiger Ferne, z. B. unten im
Park zuhorchte, würden ihn die Töne viel feiner
ergreifen. "Gukst du mir über die Achsel: so
ists soviel, als schnaubest du selber mit ins Flöten¬
loch hinein, wobei wenig zu holen ist; und was
überhaupt die Heldin des ganzen Musikfestes zu
einem Lager, das zwei junge Männer vor ihrem
eignen im Bette aufschlagen, sagt, braucht doch
auch Bedacht, mein Walt!" -- "Da es dir so
lieb ist, so wend' ich nichts ein," sagte dieser,
und ging in den kalten Garten, wo der blenden¬
de Schnee so gut gestirnt war, als der tiefe
Aether.

Aber oben ging es wider Vults Vermuthen,
doch nicht wider dessen Wunsch. Engelberta
versicherte, ihre Schwester würde, da sie Flöte
und Stimme so kenne, vom ersten Anklang er¬
wachen, und alles verderben. "So muß die
Musik in gröster Ferne anfangen, und wachsend

ein Aſtronom, dem ſich der Himmel aufklaͤrt,
ehe ſich der Mond total verfinſtert, ſuchte Vult
jetzt die Ohren des Bruders in etwas vom Lieb¬
haber-Theater wegzuſtellen, indem er ihm vor¬
hielt, wenn er in einiger Ferne, z. B. unten im
Park zuhorchte, wuͤrden ihn die Toͤne viel feiner
ergreifen. „Gukſt du mir uͤber die Achſel: ſo
iſts ſoviel, als ſchnaubeſt du ſelber mit ins Floͤten¬
loch hinein, wobei wenig zu holen iſt; und was
uͤberhaupt die Heldin des ganzen Muſikfeſtes zu
einem Lager, das zwei junge Maͤnner vor ihrem
eignen im Bette aufſchlagen, ſagt, braucht doch
auch Bedacht, mein Walt!“ — „Da es dir ſo
lieb iſt, ſo wend' ich nichts ein,“ ſagte dieſer,
und ging in den kalten Garten, wo der blenden¬
de Schnee ſo gut geſtirnt war, als der tiefe
Aether.

Aber oben ging es wider Vults Vermuthen,
doch nicht wider deſſen Wunſch. Engelberta
verſicherte, ihre Schweſter wuͤrde, da ſie Floͤte
und Stimme ſo kenne, vom erſten Anklang er¬
wachen, und alles verderben. „So muß die
Muſik in groͤſter Ferne anfangen, und wachſend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0257" n="251"/>
ein A&#x017F;tronom, dem &#x017F;ich der Himmel aufkla&#x0364;rt,<lb/>
ehe &#x017F;ich der Mond total verfin&#x017F;tert, &#x017F;uchte Vult<lb/>
jetzt die Ohren des Bruders in etwas vom Lieb¬<lb/>
haber-Theater wegzu&#x017F;tellen, indem er ihm vor¬<lb/>
hielt, wenn er in einiger Ferne, z. B. unten im<lb/>
Park zuhorchte, wu&#x0364;rden ihn die To&#x0364;ne viel feiner<lb/>
ergreifen. &#x201E;Guk&#x017F;t du mir u&#x0364;ber die Ach&#x017F;el: &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;ts &#x017F;oviel, als &#x017F;chnaube&#x017F;t du &#x017F;elber mit ins Flo&#x0364;ten¬<lb/>
loch hinein, wobei wenig zu holen i&#x017F;t; und was<lb/>
u&#x0364;berhaupt die Heldin des ganzen Mu&#x017F;ikfe&#x017F;tes zu<lb/>
einem Lager, das zwei junge Ma&#x0364;nner vor ihrem<lb/>
eignen im Bette auf&#x017F;chlagen, &#x017F;agt, braucht doch<lb/>
auch Bedacht, mein Walt!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Da es dir &#x017F;o<lb/>
lieb i&#x017F;t, &#x017F;o wend' ich nichts ein,&#x201C; &#x017F;agte die&#x017F;er,<lb/>
und ging in den kalten Garten, wo der blenden¬<lb/>
de Schnee &#x017F;o gut ge&#x017F;tirnt war, als der tiefe<lb/>
Aether.</p><lb/>
        <p>Aber oben ging es wider Vults Vermuthen,<lb/>
doch nicht wider de&#x017F;&#x017F;en Wun&#x017F;ch. Engelberta<lb/>
ver&#x017F;icherte, ihre Schwe&#x017F;ter wu&#x0364;rde, da &#x017F;ie Flo&#x0364;te<lb/>
und Stimme &#x017F;o kenne, vom er&#x017F;ten Anklang er¬<lb/>
wachen, und alles verderben. &#x201E;So muß die<lb/>
Mu&#x017F;ik in gro&#x0364;&#x017F;ter Ferne anfangen, und wach&#x017F;end<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0257] ein Aſtronom, dem ſich der Himmel aufklaͤrt, ehe ſich der Mond total verfinſtert, ſuchte Vult jetzt die Ohren des Bruders in etwas vom Lieb¬ haber-Theater wegzuſtellen, indem er ihm vor¬ hielt, wenn er in einiger Ferne, z. B. unten im Park zuhorchte, wuͤrden ihn die Toͤne viel feiner ergreifen. „Gukſt du mir uͤber die Achſel: ſo iſts ſoviel, als ſchnaubeſt du ſelber mit ins Floͤten¬ loch hinein, wobei wenig zu holen iſt; und was uͤberhaupt die Heldin des ganzen Muſikfeſtes zu einem Lager, das zwei junge Maͤnner vor ihrem eignen im Bette aufſchlagen, ſagt, braucht doch auch Bedacht, mein Walt!“ — „Da es dir ſo lieb iſt, ſo wend' ich nichts ein,“ ſagte dieſer, und ging in den kalten Garten, wo der blenden¬ de Schnee ſo gut geſtirnt war, als der tiefe Aether. Aber oben ging es wider Vults Vermuthen, doch nicht wider deſſen Wunſch. Engelberta verſicherte, ihre Schweſter wuͤrde, da ſie Floͤte und Stimme ſo kenne, vom erſten Anklang er¬ wachen, und alles verderben. „So muß die Muſik in groͤſter Ferne anfangen, und wachſend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/257
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/257>, abgerufen am 22.11.2024.