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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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alles in Glanz, Thränen und Gräber; und vor
ihr berührt das Leben wie die niedergehende Sonne
auf den nordischen Meeren am langen Tage, nur
mit dem Rande die Untergangs-Erde und steigt
dann, wieder morgendlich den Himmelsbogen
hinauf.

Beide Freunde giengen Arm in Arm, endlich
Hand in Hand, in den Straßen umher. Walts
kurze Lustigkeit war dem tiefern Fühlen gewichen.
Er sah sich oft um, und in Vults Gesicht hin¬
ein: "so müssen wir bleiben in einem fort, wie
jetzt," sagt' er. Geschwind drückte ihm Vult die
Hand auf den Mund, und sagte: "der Teufel
hörts!" -- "Und Gott auch," versetzte Walt;
und fügte dann leise, rosenroth, und abgewandt
hinzu: "In solchen Nächten solltest du auch ein¬
mal das Wort Geliebte! sprechen." -- "Wie?
sagte Vult roth, dieß wäre ja toll." --

Nach langem Genuß des hellen Vorfestes sa¬
hen sie endlich Wina mit Engelberta, wie eine
weiße Blumen-Knospe in das Feuerhaus ein¬
schlüpfen. Hoffend auf die ausgearbeiteten Plane
seiner Liebes-Erklärung, und so glücklich wie

alles in Glanz, Thraͤnen und Graͤber; und vor
ihr beruͤhrt das Leben wie die niedergehende Sonne
auf den nordiſchen Meeren am langen Tage, nur
mit dem Rande die Untergangs-Erde und ſteigt
dann, wieder morgendlich den Himmelsbogen
hinauf.

Beide Freunde giengen Arm in Arm, endlich
Hand in Hand, in den Straßen umher. Walts
kurze Luſtigkeit war dem tiefern Fuͤhlen gewichen.
Er ſah ſich oft um, und in Vults Geſicht hin¬
ein: „ſo muͤſſen wir bleiben in einem fort, wie
jetzt,“ ſagt' er. Geſchwind druͤckte ihm Vult die
Hand auf den Mund, und ſagte: „der Teufel
hoͤrts!“ — „Und Gott auch,“ verſetzte Walt;
und fuͤgte dann leiſe, roſenroth, und abgewandt
hinzu: „In ſolchen Naͤchten ſollteſt du auch ein¬
mal das Wort Geliebte! ſprechen.“ — „Wie?
ſagte Vult roth, dieß waͤre ja toll.“ —

Nach langem Genuß des hellen Vorfeſtes ſa¬
hen ſie endlich Wina mit Engelberta, wie eine
weiße Blumen-Knoſpe in das Feuerhaus ein¬
ſchluͤpfen. Hoffend auf die ausgearbeiteten Plane
ſeiner Liebes-Erklaͤrung, und ſo gluͤcklich wie

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[250/0256] alles in Glanz, Thraͤnen und Graͤber; und vor ihr beruͤhrt das Leben wie die niedergehende Sonne auf den nordiſchen Meeren am langen Tage, nur mit dem Rande die Untergangs-Erde und ſteigt dann, wieder morgendlich den Himmelsbogen hinauf. Beide Freunde giengen Arm in Arm, endlich Hand in Hand, in den Straßen umher. Walts kurze Luſtigkeit war dem tiefern Fuͤhlen gewichen. Er ſah ſich oft um, und in Vults Geſicht hin¬ ein: „ſo muͤſſen wir bleiben in einem fort, wie jetzt,“ ſagt' er. Geſchwind druͤckte ihm Vult die Hand auf den Mund, und ſagte: „der Teufel hoͤrts!“ — „Und Gott auch,“ verſetzte Walt; und fuͤgte dann leiſe, roſenroth, und abgewandt hinzu: „In ſolchen Naͤchten ſollteſt du auch ein¬ mal das Wort Geliebte! ſprechen.“ — „Wie? ſagte Vult roth, dieß waͤre ja toll.“ — Nach langem Genuß des hellen Vorfeſtes ſa¬ hen ſie endlich Wina mit Engelberta, wie eine weiße Blumen-Knoſpe in das Feuerhaus ein¬ ſchluͤpfen. Hoffend auf die ausgearbeiteten Plane ſeiner Liebes-Erklaͤrung, und ſo gluͤcklich wie

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/256>, abgerufen am 22.11.2024.