Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

sagen, sagt' er unter dem Anziehen einmal, wie
sehr ich wünschte, es wäre bei uns, wie bei den
Dahomets in Ober-Guinea, wo niemand Strüm¬
pfe tragen darf, als der König, und es wäre jetzt
wie unter Karl dem VII. von Frankreich, wo im
ganzen Land niemand 2 Hemden besaß, als seine
Gemahlin. -- " Warum?" fragte Walt. "Ei,
dann könnten wir uns recht gut mit unserm
Stand entschuldigen," versetzte er.

Durch diese Ergießungen führte er eine Menge
Verdruß ab, nur aber dem Bruder manchen zu,
weil sich dieser für die Quelle hielt. "Armuth,
antwortete Walt, ist die Mutter der Hoffnung;
gehe mit der schönen Tochter um, so wirst du die
häßliche Mutter nicht sehen. Aber ich will gern
dein Simon von Zyrene seyn, der dir das Kreuz
tragen hilft." -- Bis nämlich auf den Berg,
versetzte jener, wo man mich daran schlägt." --
Liebe kennt keine Armuth, weder eigne noch
fremde.

Endlich wurde die Kleider-Lotterie gezogen;
auf welche beide sich blos durch Länge der Zeit
die grösten Hoffnungen angewöhnt und weiß ge¬

ſagen, ſagt' er unter dem Anziehen einmal, wie
ſehr ich wuͤnſchte, es waͤre bei uns, wie bei den
Dahomets in Ober-Guinea, wo niemand Struͤm¬
pfe tragen darf, als der Koͤnig, und es waͤre jetzt
wie unter Karl dem VII. von Frankreich, wo im
ganzen Land niemand 2 Hemden beſaß, als ſeine
Gemahlin. — „ Warum?“ fragte Walt. „Ei,
dann koͤnnten wir uns recht gut mit unſerm
Stand entſchuldigen,“ verſetzte er.

Durch dieſe Ergießungen fuͤhrte er eine Menge
Verdruß ab, nur aber dem Bruder manchen zu,
weil ſich dieſer fuͤr die Quelle hielt. „Armuth,
antwortete Walt, iſt die Mutter der Hoffnung;
gehe mit der ſchoͤnen Tochter um, ſo wirſt du die
haͤßliche Mutter nicht ſehen. Aber ich will gern
dein Simon von Zyrene ſeyn, der dir das Kreuz
tragen hilft.“ — Bis naͤmlich auf den Berg,
verſetzte jener, wo man mich daran ſchlaͤgt.“ —
Liebe kennt keine Armuth, weder eigne noch
fremde.

Endlich wurde die Kleider-Lotterie gezogen;
auf welche beide ſich blos durch Laͤnge der Zeit
die groͤſten Hoffnungen angewoͤhnt und weiß ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0271" n="265"/>
&#x017F;agen, &#x017F;agt' er unter dem Anziehen einmal, wie<lb/>
&#x017F;ehr ich wu&#x0364;n&#x017F;chte, es wa&#x0364;re bei uns, wie bei den<lb/>
Dahomets in Ober-Guinea, wo niemand Stru&#x0364;<lb/>
pfe tragen darf, als der Ko&#x0364;nig, und es wa&#x0364;re jetzt<lb/>
wie unter Karl dem <hi rendition="#aq">VII</hi>. von Frankreich, wo im<lb/>
ganzen Land niemand 2 Hemden be&#x017F;aß, als &#x017F;eine<lb/>
Gemahlin. &#x2014; &#x201E; Warum?&#x201C; fragte Walt. &#x201E;Ei,<lb/>
dann ko&#x0364;nnten wir uns recht gut mit un&#x017F;erm<lb/>
Stand ent&#x017F;chuldigen,&#x201C; ver&#x017F;etzte er.</p><lb/>
        <p>Durch die&#x017F;e Ergießungen fu&#x0364;hrte er eine Menge<lb/>
Verdruß ab, nur aber dem Bruder manchen zu,<lb/>
weil &#x017F;ich die&#x017F;er fu&#x0364;r die Quelle hielt. &#x201E;Armuth,<lb/>
antwortete Walt, i&#x017F;t die Mutter der Hoffnung;<lb/>
gehe mit der &#x017F;cho&#x0364;nen Tochter um, &#x017F;o wir&#x017F;t du die<lb/>
ha&#x0364;ßliche Mutter nicht &#x017F;ehen. Aber ich will gern<lb/>
dein Simon von Zyrene &#x017F;eyn, der dir das Kreuz<lb/>
tragen hilft.&#x201C; &#x2014; Bis na&#x0364;mlich auf den Berg,<lb/>
ver&#x017F;etzte jener, wo man mich daran &#x017F;chla&#x0364;gt.&#x201C; &#x2014;<lb/>
Liebe kennt keine Armuth, weder eigne noch<lb/>
fremde.</p><lb/>
        <p>Endlich wurde die Kleider-Lotterie gezogen;<lb/>
auf welche beide &#x017F;ich blos durch La&#x0364;nge der Zeit<lb/>
die gro&#x0364;&#x017F;ten Hoffnungen angewo&#x0364;hnt und weiß ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0271] ſagen, ſagt' er unter dem Anziehen einmal, wie ſehr ich wuͤnſchte, es waͤre bei uns, wie bei den Dahomets in Ober-Guinea, wo niemand Struͤm¬ pfe tragen darf, als der Koͤnig, und es waͤre jetzt wie unter Karl dem VII. von Frankreich, wo im ganzen Land niemand 2 Hemden beſaß, als ſeine Gemahlin. — „ Warum?“ fragte Walt. „Ei, dann koͤnnten wir uns recht gut mit unſerm Stand entſchuldigen,“ verſetzte er. Durch dieſe Ergießungen fuͤhrte er eine Menge Verdruß ab, nur aber dem Bruder manchen zu, weil ſich dieſer fuͤr die Quelle hielt. „Armuth, antwortete Walt, iſt die Mutter der Hoffnung; gehe mit der ſchoͤnen Tochter um, ſo wirſt du die haͤßliche Mutter nicht ſehen. Aber ich will gern dein Simon von Zyrene ſeyn, der dir das Kreuz tragen hilft.“ — Bis naͤmlich auf den Berg, verſetzte jener, wo man mich daran ſchlaͤgt.“ — Liebe kennt keine Armuth, weder eigne noch fremde. Endlich wurde die Kleider-Lotterie gezogen; auf welche beide ſich blos durch Laͤnge der Zeit die groͤſten Hoffnungen angewoͤhnt und weiß ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/271
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/271>, abgerufen am 22.11.2024.