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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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er stand fest, das Meer floß wieder an ihm hin.
Darauf schneiete es helle Sterne hinein, der Him¬
mel wurde leer, aber an der Mittagsstelle der
Sonne entglomm eine Morgenröthe; das Meer
höhlte sich unter ihr aus, und thürmte in unge¬
heuren bleiernen Schlangen-Wülsten am Horizonte
auf sich selber auf, den Himmel zuwölbend -- und
unten aus dem Meeres-Grund stiegen aus unzäh¬
ligen Bergwerken traurige Menschen wie Todte
auf, und wurden geboren. Eine dicke Gruben-
Nacht quoll ihnen nach. Aber ein Sturm schlug
sich auf den Dampf, und zerquetschte ihn zu einem
Meer. Gewaltig fuhr er auf und ab, und schüt¬
telte alle Wellen, hoch oben im stillen Blau flog
langsam eine goldene Biene leise singend einem
Sternchen zu, und sog an dessen weißen Blüten,
und rund um den Horizont standen Thürme hei¬
ter mit leuchtenden Gewitterspitzen, bis wieder
ungeheure Wolken als reissende Thiere gestaltet
ankamen, und am Himmel fraßen.

Da hörte ich einen Seufzer, alles war ver¬
schwunden. Ich sah nichts als ein glattes stilles
Meer, aus diesem brach die böse Feindin, oh¬

er ſtand feſt, das Meer floß wieder an ihm hin.
Darauf ſchneiete es helle Sterne hinein, der Him¬
mel wurde leer, aber an der Mittagsſtelle der
Sonne entglomm eine Morgenroͤthe; das Meer
hoͤhlte ſich unter ihr aus, und thuͤrmte in unge¬
heuren bleiernen Schlangen-Wuͤlſten am Horizonte
auf ſich ſelber auf, den Himmel zuwoͤlbend — und
unten aus dem Meeres-Grund ſtiegen aus unzaͤh¬
ligen Bergwerken traurige Menſchen wie Todte
auf, und wurden geboren. Eine dicke Gruben-
Nacht quoll ihnen nach. Aber ein Sturm ſchlug
ſich auf den Dampf, und zerquetſchte ihn zu einem
Meer. Gewaltig fuhr er auf und ab, und ſchuͤt¬
telte alle Wellen, hoch oben im ſtillen Blau flog
langſam eine goldene Biene leiſe ſingend einem
Sternchen zu, und ſog an deſſen weißen Bluͤten,
und rund um den Horizont ſtanden Thuͤrme hei¬
ter mit leuchtenden Gewitterſpitzen, bis wieder
ungeheure Wolken als reiſſende Thiere geſtaltet
ankamen, und am Himmel fraßen.

Da hoͤrte ich einen Seufzer, alles war ver¬
ſchwunden. Ich ſah nichts als ein glattes ſtilles
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[303/0309] er ſtand feſt, das Meer floß wieder an ihm hin. Darauf ſchneiete es helle Sterne hinein, der Him¬ mel wurde leer, aber an der Mittagsſtelle der Sonne entglomm eine Morgenroͤthe; das Meer hoͤhlte ſich unter ihr aus, und thuͤrmte in unge¬ heuren bleiernen Schlangen-Wuͤlſten am Horizonte auf ſich ſelber auf, den Himmel zuwoͤlbend — und unten aus dem Meeres-Grund ſtiegen aus unzaͤh¬ ligen Bergwerken traurige Menſchen wie Todte auf, und wurden geboren. Eine dicke Gruben- Nacht quoll ihnen nach. Aber ein Sturm ſchlug ſich auf den Dampf, und zerquetſchte ihn zu einem Meer. Gewaltig fuhr er auf und ab, und ſchuͤt¬ telte alle Wellen, hoch oben im ſtillen Blau flog langſam eine goldene Biene leiſe ſingend einem Sternchen zu, und ſog an deſſen weißen Bluͤten, und rund um den Horizont ſtanden Thuͤrme hei¬ ter mit leuchtenden Gewitterſpitzen, bis wieder ungeheure Wolken als reiſſende Thiere geſtaltet ankamen, und am Himmel fraßen. Da hoͤrte ich einen Seufzer, alles war ver¬ ſchwunden. Ich ſah nichts als ein glattes ſtilles Meer, aus dieſem brach die boͤſe Feindin, oh¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/309>, abgerufen am 21.11.2024.