ne eine Welle zu machen, wie Licht durch Glas: "seit der Ewigkeit, fing sie an, ist das Wasser öhl-glatt, das bedeutet eben den großen Sturm. Ich soll dir, sagt man, das älteste Mährchen erzählen; bist du aber vorüber?" Sie sah seltsam aus, sie war in Meergrün, und Meerblüten ge¬ kleidet, kleine Floßfedern zuckten an ihrem Rücken, ihr Gesicht war meergrau, und doch jung, aber voll kämpfender Farben. "Ehe ich antwortete, fuhr die böse Feindin fort -- "es war einmal ein ewiges Mährchen, alt, grau, taub, blind, und das Mährchen sehnte sich oft. Dort tief in der letzten Welt-Ecke wohnt es noch, und Gott besucht es zuweilen, um zu sehen, ob es noch flattert und sich sehnt. -- Bist du denn vorüber? So schaue die Thiere am Ufer an!" -- Am glatten Meere hinauf lag es voll reißender Thiere, welche schliefen, aber im Schlafe sprachen, und einander einen ur¬ alten Heißhunger und Blutdurst erzählten.
Ehe ich antwortete, versetzte die böse Feindin: "vernimm das alte Wiederhallen; noch kein We¬ sen hat den Ton gehört, den es nachspricht. Wenn
aber
ne eine Welle zu machen, wie Licht durch Glas: „ſeit der Ewigkeit, fing ſie an, iſt das Waſſer oͤhl-glatt, das bedeutet eben den großen Sturm. Ich ſoll dir, ſagt man, das aͤlteſte Maͤhrchen erzaͤhlen; biſt du aber voruͤber?” Sie ſah ſeltſam aus, ſie war in Meergruͤn, und Meerbluͤten ge¬ kleidet, kleine Floßfedern zuckten an ihrem Ruͤcken, ihr Geſicht war meergrau, und doch jung, aber voll kaͤmpfender Farben. „Ehe ich antwortete, fuhr die boͤſe Feindin fort — „es war einmal ein ewiges Maͤhrchen, alt, grau, taub, blind, und das Maͤhrchen ſehnte ſich oft. Dort tief in der letzten Welt-Ecke wohnt es noch, und Gott beſucht es zuweilen, um zu ſehen, ob es noch flattert und ſich ſehnt. — Biſt du denn voruͤber? So ſchaue die Thiere am Ufer an!” — Am glatten Meere hinauf lag es voll reißender Thiere, welche ſchliefen, aber im Schlafe ſprachen, und einander einen ur¬ alten Heißhunger und Blutdurſt erzaͤhlten.
Ehe ich antwortete, verſetzte die boͤſe Feindin: „vernimm das alte Wiederhallen; noch kein We¬ ſen hat den Ton gehoͤrt, den es nachſpricht. Wenn
aber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0310"n="304"/>
ne eine Welle zu machen, wie Licht durch Glas:<lb/>„ſeit der Ewigkeit, fing ſie an, iſt das Waſſer<lb/>
oͤhl-glatt, das bedeutet eben den großen Sturm.<lb/>
Ich ſoll dir, ſagt man, das aͤlteſte Maͤhrchen<lb/>
erzaͤhlen; biſt du aber voruͤber?” Sie ſah ſeltſam<lb/>
aus, ſie war in Meergruͤn, und Meerbluͤten ge¬<lb/>
kleidet, kleine Floßfedern zuckten an ihrem Ruͤcken,<lb/>
ihr Geſicht war meergrau, und doch jung, aber<lb/>
voll kaͤmpfender Farben. „Ehe ich antwortete, fuhr<lb/>
die boͤſe Feindin fort —„es war einmal ein ewiges<lb/>
Maͤhrchen, alt, grau, taub, blind, und das<lb/>
Maͤhrchen ſehnte ſich oft. Dort tief in der letzten<lb/>
Welt-Ecke wohnt es noch, und Gott beſucht es<lb/>
zuweilen, um zu ſehen, ob es noch flattert und<lb/>ſich ſehnt. — Biſt du denn voruͤber? So ſchaue<lb/>
die Thiere am Ufer an!”— Am glatten Meere<lb/>
hinauf lag es voll reißender Thiere, welche ſchliefen,<lb/>
aber im Schlafe ſprachen, und einander einen ur¬<lb/>
alten Heißhunger und Blutdurſt erzaͤhlten.</p><lb/><p>Ehe ich antwortete, verſetzte die boͤſe Feindin:<lb/>„vernimm das alte Wiederhallen; noch kein We¬<lb/>ſen hat den Ton gehoͤrt, den es nachſpricht. Wenn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aber<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[304/0310]
ne eine Welle zu machen, wie Licht durch Glas:
„ſeit der Ewigkeit, fing ſie an, iſt das Waſſer
oͤhl-glatt, das bedeutet eben den großen Sturm.
Ich ſoll dir, ſagt man, das aͤlteſte Maͤhrchen
erzaͤhlen; biſt du aber voruͤber?” Sie ſah ſeltſam
aus, ſie war in Meergruͤn, und Meerbluͤten ge¬
kleidet, kleine Floßfedern zuckten an ihrem Ruͤcken,
ihr Geſicht war meergrau, und doch jung, aber
voll kaͤmpfender Farben. „Ehe ich antwortete, fuhr
die boͤſe Feindin fort — „es war einmal ein ewiges
Maͤhrchen, alt, grau, taub, blind, und das
Maͤhrchen ſehnte ſich oft. Dort tief in der letzten
Welt-Ecke wohnt es noch, und Gott beſucht es
zuweilen, um zu ſehen, ob es noch flattert und
ſich ſehnt. — Biſt du denn voruͤber? So ſchaue
die Thiere am Ufer an!” — Am glatten Meere
hinauf lag es voll reißender Thiere, welche ſchliefen,
aber im Schlafe ſprachen, und einander einen ur¬
alten Heißhunger und Blutdurſt erzaͤhlten.
Ehe ich antwortete, verſetzte die boͤſe Feindin:
„vernimm das alte Wiederhallen; noch kein We¬
ſen hat den Ton gehoͤrt, den es nachſpricht. Wenn
aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/310>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.