aber einst der Wiederhall aufhört, so ist die Zeit vorbei und die Ewigkeit kommt zurück, und bringt den Ton; sobald alles sehr still ist, so werd' ich die drei Stummen hören, ja den Urstummen, der das älteste Mährchen sich selber erzählt; aber er ist, was er sich sagt. Hölle, du erschrickst wie ein Sterblicher, bist du denn nicht vorüber, Thor?"
Noch eh' ich antwortete, wuchsen ihr die Flo߬ federchen zu hohen zackigen Schwingen aus, wo¬ mit sie mich unverdient und grimmig schlug; da verschwand alles, nur das schöne Tönen blieb. Es war mir, als sänk' ich in geflügelte Wogen eines wolkenhohen Meeres. Wie ein Pfeil schnitt ich durch seine weltenlange Wüste; aber ich konn¬ te durch die gläserne Fläche nicht hindurch, son¬ dern hing im dunkeln Wasser, und schaute hin¬ durch. Da sah ich draußen, nah oder fern, ich weiß es nicht, das rechte Land liegen, ausge¬ dehnt, glänzend-dämmernd. Die Sonne schien als Ephemere in ihren eignen Stralen zu spielen, und die Stralen hörten auf. Nur die leisen Töne des rechten Landes flogen noch um mein Ohr.
Flegeljahre IV. Bd. 20
aber einſt der Wiederhall aufhoͤrt, ſo iſt die Zeit vorbei und die Ewigkeit kommt zuruͤck, und bringt den Ton; ſobald alles ſehr ſtill iſt, ſo werd' ich die drei Stummen hoͤren, ja den Urſtummen, der das aͤlteſte Maͤhrchen ſich ſelber erzaͤhlt; aber er iſt, was er ſich ſagt. Hoͤlle, du erſchrickſt wie ein Sterblicher, biſt du denn nicht voruͤber, Thor?“
Noch eh' ich antwortete, wuchſen ihr die Flo߬ federchen zu hohen zackigen Schwingen aus, wo¬ mit ſie mich unverdient und grimmig ſchlug; da verſchwand alles, nur das ſchoͤne Toͤnen blieb. Es war mir, als ſaͤnk' ich in gefluͤgelte Wogen eines wolkenhohen Meeres. Wie ein Pfeil ſchnitt ich durch ſeine weltenlange Wuͤſte; aber ich konn¬ te durch die glaͤſerne Flaͤche nicht hindurch, ſon¬ dern hing im dunkeln Waſſer, und ſchaute hin¬ durch. Da ſah ich draußen, nah oder fern, ich weiß es nicht, das rechte Land liegen, ausge¬ dehnt, glaͤnzend-daͤmmernd. Die Sonne ſchien als Ephemere in ihren eignen Stralen zu ſpielen, und die Stralen hoͤrten auf. Nur die leiſen Toͤne des rechten Landes flogen noch um mein Ohr.
Flegeljahre IV. Bd. 20
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0311"n="305"/>
aber einſt der Wiederhall aufhoͤrt, ſo iſt die Zeit<lb/>
vorbei und die Ewigkeit kommt zuruͤck, und bringt<lb/>
den Ton; ſobald alles ſehr ſtill iſt, ſo werd' ich<lb/>
die drei Stummen hoͤren, ja den Urſtummen,<lb/>
der das aͤlteſte Maͤhrchen ſich ſelber erzaͤhlt; aber<lb/>
er iſt, was er ſich ſagt. Hoͤlle, du erſchrickſt wie<lb/>
ein Sterblicher, biſt du denn nicht voruͤber, Thor?“</p><lb/><p>Noch eh' ich antwortete, wuchſen ihr die Flo߬<lb/>
federchen zu hohen zackigen Schwingen aus, wo¬<lb/>
mit ſie mich unverdient und grimmig ſchlug; da<lb/>
verſchwand alles, nur das ſchoͤne Toͤnen blieb.<lb/>
Es war mir, als ſaͤnk' ich in gefluͤgelte Wogen<lb/>
eines wolkenhohen Meeres. Wie ein Pfeil ſchnitt<lb/>
ich durch ſeine weltenlange Wuͤſte; aber ich konn¬<lb/>
te durch die glaͤſerne Flaͤche nicht hindurch, ſon¬<lb/>
dern hing im dunkeln Waſſer, und ſchaute hin¬<lb/>
durch. Da ſah ich draußen, nah oder fern, ich<lb/>
weiß es nicht, das <hirendition="#g">rechte Land</hi> liegen, ausge¬<lb/>
dehnt, glaͤnzend-daͤmmernd. Die Sonne ſchien<lb/>
als Ephemere in ihren eignen Stralen zu ſpielen,<lb/>
und die Stralen hoͤrten auf. Nur die leiſen Toͤne<lb/>
des <hirendition="#g">rechten Landes</hi> flogen noch um mein Ohr.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Flegeljahre <hirendition="#aq">IV</hi>. Bd. 20<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[305/0311]
aber einſt der Wiederhall aufhoͤrt, ſo iſt die Zeit
vorbei und die Ewigkeit kommt zuruͤck, und bringt
den Ton; ſobald alles ſehr ſtill iſt, ſo werd' ich
die drei Stummen hoͤren, ja den Urſtummen,
der das aͤlteſte Maͤhrchen ſich ſelber erzaͤhlt; aber
er iſt, was er ſich ſagt. Hoͤlle, du erſchrickſt wie
ein Sterblicher, biſt du denn nicht voruͤber, Thor?“
Noch eh' ich antwortete, wuchſen ihr die Flo߬
federchen zu hohen zackigen Schwingen aus, wo¬
mit ſie mich unverdient und grimmig ſchlug; da
verſchwand alles, nur das ſchoͤne Toͤnen blieb.
Es war mir, als ſaͤnk' ich in gefluͤgelte Wogen
eines wolkenhohen Meeres. Wie ein Pfeil ſchnitt
ich durch ſeine weltenlange Wuͤſte; aber ich konn¬
te durch die glaͤſerne Flaͤche nicht hindurch, ſon¬
dern hing im dunkeln Waſſer, und ſchaute hin¬
durch. Da ſah ich draußen, nah oder fern, ich
weiß es nicht, das rechte Land liegen, ausge¬
dehnt, glaͤnzend-daͤmmernd. Die Sonne ſchien
als Ephemere in ihren eignen Stralen zu ſpielen,
und die Stralen hoͤrten auf. Nur die leiſen Toͤne
des rechten Landes flogen noch um mein Ohr.
Flegeljahre IV. Bd. 20
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/311>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.